Matthias G. Bernold, geboren 1975, lebt als Journalist in Wien.
Matthias G. Bernold, geboren 1975, lebt als Journalist in Wien.

Ich darf berichten, dass es in meiner Ehe gut läuft. Die letzten Zwistigkeiten ließen sich entkräften, indem ich ins Kinderzimmer gezogen bin und mein Sohn ins Ehebett. Seither sind - auch im Lockdown! - unsere existen-ziellen Bedürfnisse weitgehend abgedeckt. Ich kann ruhig schlafen und die frühen Morgenstunden zum Arbeiten nutzen (etwa, um Texte wie diesen zu verfassen). Die Monster, die den Vierjährigen Nacht für Nacht zum Bettwechsel veranlassten, stellen keine Bedrohung mehr dar.

Zwischenzeitlich getrübt war die Harmonie durch Unstimmigkeiten über den Einsatz von Gummibären. "Nein, du lockst ihn nicht mit Gummibären zum Spazierengehen, sondern wir überzeugen ihn durch Argumente", brachte meine Frau auch diese Debatte zu einem gütlichen Ende. Seit kurzem aber gibt es einen neuen Grund für Zwist. An dem allerdings nicht ich Schuld trage, sondern mein Onkel Hans.

Seit ich denken kann, enthält dessen Bibliothek einen Sammelband mit Abenteuern von Nick Knatterton. Dieser in den 1950er Jahren von Manfred Schmidt für die Illustrierte "Quick" geschaffene Comic-Held faszinierte mich bereits als Kindergartenkind. Schmidt war dem Rat eines "Quick"-Redakteurs gefolgt: "Wenn Sie viel Busen und stramme Popos hineinzeichnen, wird es ein Erfolg sein, das ist es, was die Leute sehen wollen." Wenigstens ich wollte das unbedingt sehen und freute mich auf jeden Besuch bei Onkel Hans. Mein erster Weg dort führte mich nicht ins Zimmer meines Cousins mit den Spielsachen, sondern zum Bücherregal.

Dass auch mein Sohn die Geschichten um den Meisterdetektiv schätzt, erfüllt mich mit Vaterstolz. Wenngleich mir bewusst ist, dass Knatterton, wie meine Frau zu Recht anmerkt, kaum als pädagogisch wertvoll gelten kann. Seit mein Sohn das Buch entdeckt hat, ist er begeistert. Zum Frühstück erzählt er uns bereits von Kinnhaken oder zwickt uns in den Hintern. Abends muss ich Knatterton vorlesen. Immer. "Wollen wir nicht wieder einmal das Buch über die Bäume lesen?" "Nein, Nick Knatterton!"

Meine Frau lenkt sein Interesse subtil in eine andere Richtung. Sie hat, quasi als Ersatzdroge, "Lucky Luke"-Hefte hervorgekramt. Die Strategie dürfte aufgehen. Gestern erzählte uns der Bub beim Frühstück von Jolly Jumper (Lukes Pferd). Spätestens seit der Cowboy, statt zu rauchen, Grashalme kaut, ist er der kindgerechtere Comic-Held. Eine derartige Reparatur wäre bei Knatterton schwierig: ihm Busen, Kinnhaken und Herrenwitz wegnehmen? Geht das überhaupt? Eheleute wissen: Klar geht das, alles geht. Und frühmorgens bleibt dann sogar mehr Zeit zum Arbeiten.