Hans-Paul Nosko lebt als Journalist und Glossist in Wien. 
- © Robert Newald

Hans-Paul Nosko lebt als Journalist und Glossist in Wien.

- © Robert Newald

Es war halb elf Uhr abends, England führte gegen Tschechien mit 1:0, und ich nutzte ein Geplänkel im Mittelfeld, um aus der Küche Salzgebäcknachschub zu holen. Plötzlich wurde es rund um mich finster und die beiden TV-Kommentatoren waren mit einem Mal verstummt. Ich nahm die Taschenlampe aus der Lade, leuchtete in den Sicherungskasten, und stellte fest: alle Schalter oben.

Aus den Nachbarhäusern, in denen kein einziges Fenster erleuchtet war, drang dezentes Stimmengewirr herüber, Lichtpunkte erschienen in den Wohnungen. Alles klar: In unserer Straße war der Strom ausgefallen. Ist ja in einem Erste-Welt-Land kein Malheur. Und wenn man genau wissen will, was los ist, gibt es ja eine verlässliche Informationsquelle.

Als ich auf dem Handy "Stromausfall Wien" eintippte, kam ich umgehend auf die Seite der Wiener Netze, wo zahlreiche fachkundige Tipps für solche Fälle bereitstehen. Zunächst gilt es in einem solchen Fall, "Ruhe zu bewahren". Da konnte ich das erste Hakerl machen: Weder ich noch jemand aus der Nachbarschaft war in hysterisches Geschrei verfallen. Es folgte: "1. Schaffen Sie Licht. Holen Sie eine Taschenlampe" (Hakerl) "oder eine Kerze" (keine Ahnung, wo die ist) "oder aktivieren Sie die Taschenlampenfunktion auf Ihrem Smartphone" (lieber nicht, da dieses nur noch elf Prozent Akku hatte, ich vielleicht auch noch telefonieren wollte, die Internetverbindung mit den Wiener Netzen ohnehin schon ziemlich viel Strom fraß und Aufladen zurzeit nicht möglich war, und wenn’s wieder möglich gewesen wäre, ich keine Taschenlampe mehr gebraucht hätte).

"2. Klären Sie, wen der Stromausfall betrifft: Schauen Sie aus dem Fenster, ob in Ihrer Straße Licht brennt" (brannte nicht, es schien nur der Mond, der glücklicherweise am Zunehmen war). "Oder fragen Sie bei Ihren NachbarInnen" (gibt nur einen, ich hatte ihn fortgehen gehört, vielleicht war er gerade bei einem Freund Fußballschauen, hoffentlich weit weg) "oder Ihrer Hausbetreuung nach" (es war inzwischen fast drei viertel elf Uhr abends). "3. Checken Sie die Sicherungen" (Hakerl). "4. Tauschen Sie defekte Geräte aus." Wo bekomme ich um diese Zeit einen neuen Kühlschrank oder Fernseher her? "5. Melden Sie sich bei der Stromnetzstörung." Hier durfte ich sicher sein, dass dies besorgte Bürger schon getan hatten. Die weniger Besorgten unterhielten sich bei Handybeleuchtung, irgendwo hatte jemand begonnen, Gitarre zu spielen.

Ich wusste zwar immer noch nicht, warum wir keinen Strom hatten, war aber eh nicht so wichtig: Wie ich bei meiner Handy-Recherche en passant erfahren hatte, dauert so ein Stromausfall im Durchschnitt 133 Minuten. Und da ich nicht bis ein Uhr Früh warten wollte, ging ich zu Bett mit der beruhigenden Gewissheit, die allermeisten Tipps der Wiener Netze, tadellos befolgt zu haben - und dies, ohne sie vorher zu kennen.

Am Spielstand des England-Tschechien-Spiels änderte sich übrigens bis zum Schluss nichts.