Dass den jungen Menschen die Zukunft gehört, ist vorab einmal schlicht ein biologisches Faktum. Dass Pubertierende gegenüber den Fragen und Problemen unserer Zeit sensibler eingestellt wären als die meisten Erwachsenen und ihnen deshalb ein größerer politischer Einfluss zugesprochen werden sollte, ist eine beliebte, aber nicht unbedingt schlüssige These. Dass die Welt überhaupt friedlicher, klimafreundlicher und toleranter wäre, ließe man Kinder und Jugendliche an die Macht, ist Ausdruck einer romantischen Hoffnung, die in der Infantilisierung die Erlösung sehen will. Die Realität spricht allerdings eine andere Sprache.

Dieser Tage wurden Unternehmen und interessierte Zeitgenossen auf eine soeben veröffentlichte Studie des Instituts für Jugendkulturforschung aufmerksam gemacht, die das Zugehörigkeitsgefühl junger Menschen zu unterschiedlichen "Szenen" zum Gegenstand hat. In der Teilhabe an bestimmten Milieus, so wird suggeriert, spiegeln sich nicht nur Einstellungen, sondern auch Konsumtrends wider, sodass sich daraus erfolgreiche Marketingstrategien ablesen ließen. Im Gegensatz zu den beliebten Wertestudien, die jene Präferenzen abfragen, zu denen man sich leichthin bekennen kann, ohne sich in der Praxis daran orientieren zu müssen, trifft die Identifikation mit einer bestimmten Szene viel genauer die alltäglichen Lebensvollzüge und erlaubt triftigere Rückschlüsse auf das, was jungen Menschen tatsächlich wichtig ist. Ein Blick auf die verblüffenden Ergebnisse dieser Umfrage zeigt, wie sehr das reale Lebensgefühl der Generation der 16 - 29-Jährigen sich von jenem Bild unterscheidet, das die Medien gerne von dieser zeichnen.
Eine signifikante Zahl junger Menschen fühlt sich in erster Linie der Gaming-Szene verbunden. Der Schiller’sche Spieltrieb feiert im Zeitalter des Smartphones ungeahnte Triumphe. Vor allem bei Burschen ist Zocken zu einer Lebensform geworden. Mädchen und junge Frauen hingegen definieren sich eher über ihre Aktivitäten auf Instagram. Dass die intensive Nutzung digitaler Geräte die CO2-Bilanz zusätzlich belastet, schlägt dabei wenig zu Buche, denn die Jugend ist nicht besonders klimabewusst. Bei jungen Männern hat - ganz gegen den grünen Zeitgeist - die Motorrad- und Autoszene deutlich an Attraktivität gewonnen, und wenn den Nachwuchs etwas bewegt, dann die Sorge um die Ästhetik des eigenen Körpers. Fitness und die dazugehörigen Lebensstilprodukte florieren auch in Zeiten der Pandemie.
Nur ein verschwindend kleiner Prozentsatz identifiziert sich mit Fridays for Future, noch geringer ist der Anteil derjenigen, die sich in der LGBTQ+-Community wiederfinden. Immerhin: In Deutschland gibt es wenigstens kleine Gruppen, die sich zu Fahrrad und Veganismus bekennen, in Österreich liegen diese Szenen unter der statistischen Wahrnehmungsschwelle. Die Fragen, die zu heftigen Debatten in den Feuilletons führen, spielen offenbar im Denken und Leben jener Generation, die diese angeblich aufgeworfen hat, kaum eine Rolle. Die Idealisierung der Jugend ist ein Projektionsprojekt akademischer Eliten.
Solch eine Studie muss nicht überbewertet werden. Aber sie korreliert mit Umfragen, die man in letzter Zeit in anderen Ländern wie der Schweiz gemacht hat. Diese zeigen, dass es falsch wäre, von der Jugend als einer einheitlichen sozialen Gruppe zu sprechen und dieser bestimmte Eigenschaften, Vorlieben und Anliegen generell zuzuschreiben. Jungsein ist kein Garant für Aufgeschlossenheit, Engagement, nachhaltiges Wirtschaften und weitsichtiges Denken. Das schließt die produktive Neugier und innovative Unbekümmertheit junger Menschen nicht aus. Besser als sich auf die Jugend als Gewissen der Welt zu verlassen ist es jedoch, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.