
Hans-Paul Nosko lebt als Journalist und Glossist in Wien.
- © Robert NewaldWar ein vermutetes Unglück an der Familie oder an der Welt spurlos vorbeigegangen, pflegte meine Großmutter zu sagen: "Gut is gangen, nix is gschehn, d Leit ham gschaut und nix hams gsehn."
Vor einer Woche fand in Tirol, der Steiermark und in Wien die Übung "Energie 21" statt, bei der ein Stromausfall simuliert wurde. Da dies bereits im Vorfeld bekannt war, kursierte in den sogenannten sozialen Medien das Gerücht, es werde in Österreich für längere Zeit "finster". Als dann ein Gratismedium den Bericht eines Lesers veröffentlichte, wonach in einer Floridsdorfer Supermarktfiliale Taschentücher, Erdnüsse, Mehl und Dosentomaten nur noch in Restbeständen oder gar nicht mehr vorhanden seien, war den letzten Zweiflern klar: Panikkäufe in Wien. Das hat gerade noch gefehlt. Eh schon Corona, und jetzt auch bald kein Strom und keine Erdnüsse.
Das erinnerte mich an ein Erlebnis vor einigen Monaten in einem bayerischen Gasthaus, wo eine Frau der Wirtin anvertraute: "Weißt eh: Am Donnerstag passierts." Gemeint war, wie gleich darauf zu vernehmen, ein kompletter Stromausfall für längere Zeit. Die Eingeweihte zählte auf, welche Vorsichtsmaßnahmen sie bereits getroffen hatte: Getränke eingelagert, Kerzen gekauft, Auto vollgetankt. Genau so, wie es auch der Tiroler Zivil- und Katastrophenschutz auf seiner Homepage empfiehlt. Also, nicht dass es falsch wäre, für Notfälle vorzusorgen. Und zum Glück ist ja auch der Kelch der Fernseher ohne Bild und Ton, der ausrinnenden Kühlschränke und der allumfassenden Dunkelheit bei Nacht (gar nicht zu denken an die katastrophale Nachrichtenlage, wenn Facebook und Co nicht zu empfangen sind) am Freistaat Bayern diesmal vorbeigegangen. Zumindest haben seriöse Medien nichts anderes vermeldet.
In Wien war es leider anders, was verwandte Seelen der bayerischen Prophetin wohl in Endzeitstimmung versetzt hat. Als wäre es mit dem Engpass im transdanubischen Nahversorger nicht genug, wurde zwei Tage vor "Energie 21" im 18. Bezirk auch noch ein elektrisches Kabel defekt. 2.000 Haushalte waren für zwei Nachmittagsstunden ohne Strom. Zufall? Doch dann ging "Energie 21" ohne Probleme über die Bühne. Der Ort dafür war, nebenbei gesagt, gut gewählt: der Patscherkofel, wo unser Franz Klammer vor 45 Jahren olympisches Gold holte.
Natürlich bin ich nun im Geist meine Notfallliste durchgegangen: Die Badewanne ist in einer Viertelstunde eingelassen, die kurbelbetriebene Taschenlampe liegt im nicht ganz vollgetankten Auto, Reis und Nudeln sind da, Käse und Wurst auch, sogar noch ein bisschen Rollgerstel, das mir eine Kollegin zu Beginn des ersten Lockdowns einzukaufen empfahl.
Apropos: Was haben die Österreicher damals gehortet? Nudeln und Klopapier. Und die Franzosen? Rotwein und Kondome. Es muss jetzt einmal gesagt werden: Vive lamour! Das stammt zwar nicht von meiner Großmutter, die sich zu solchen Themen nie äußerte - stimmt aber trotzdem.