Manchmal schreibt der Zufall meine Glosse. Eigentlich wollte ich letztens wie gewohnt in meinem Stammcafé, dem Schopenhauer, Tarock spielen, ein Kaffeehaus, das gleichzeitig eine anspruchsvolle Buchhandlung ist. Aber eine Spielerin bat um eine Verlegung ins Café Heumarkt, weil sie unmittelbar davor mit ihrer Mutter am Gelände des Eislaufvereins Schlittschuhlaufen wollte.

Schopenhauer und Heumarkt, das sind verschiedene Welten. Hier edles Jugendstil-Design, dort abgewetztes Nachkriegs-Mobiliar. Hier könnte man eine Folge von Columbo drehen, dort eine von Kottan. Beide Lokale haben Charme. Als wir das Heumarkt betraten, stolperten wir beinahe über zwei aufgebaute Standmikrofone: Eine Veranstaltung mit Hojsa & Hojsa, Vater und Tochter, war anberaumt.
Es war ein interessanter Abend. Am Tisch regierten Sküs, Mond und Pagat, gleichzeitig konnten wird die Gesangsdarbietungen hören: klassische Wienerlieder, aber auch Neuschöpfungen wie "Harbe Weana Bana", grob übersetzt: "Geile Wiener Typen". Während es in den traditionellen Interpretationen von Hans Moser bis Wolfgang Ambros um die Weinseligkeit, also um den Alkoholrausch geht, wird in dem Lied von Hojsa-Emersberger "das Weinderl" durch "das Graserl" ersetzt, eine Droge, die bisher vor allem in angloamerikanischen Blues- und Rocksongs verherrlicht wurde. Durch den Paradigmenwechsel entstehen merkwürdige Parallelen: "Warum wir auf das Wiener Graserl stehn? (...) Mia san zwa harbe Weana Bana, / mia rauchen Sieveringer Marihuana, / weil uns als echte Weaner Leut, / diese Wöhn ja so g’freut, hallo."
Für all jene, die des Wienerischen nicht mächtig sind: Eine "Welle" ist ein Rausch durch den Konsum von Alkohol oder Cannabis, ganz egal. Und "hallo" ist ein traditionelles Element in Wienerliedern, es wird häufig am Ende eines Liedes gesungen.
In der Konzertpause ließ ich meine Tarockpartner kurz allein und fragte Thomas Hojsa, was dieses "hallo" bedeutet - ich möchte das Wort in die überarbeitete Version meines "Wörterbuchs des Wienerischen" aufnehmen.
Es fehlt interessanterweise in allen Nachschlagewerken, vielleicht deshalb, weil es niemand schlüssig deuten konnte? Seltsam ist auch, dass es auf der ersten Silbe betont wird: Haalo!
Thomas Hojsa hatte eine plausible Erklärung: "Es bedeutet - nichts. Es wird aus musikalischen Gründen gesungen, eine abfallende Terz auf die Grundstufe. Es passt nicht zu jedem Wienerlied."
Damit war klar, wo ich recherchieren musste, bei meinem Freund Martin Vácha, Universitätsprofessor für Gesang an der Universität für Musik und darstellende Kunst - ebenfalls ein leidenschaftlicher Tarockspieler.
"Ich glaube, Hojsa hat recht. Mir ist dieses musikalische Phänomen in den ,Deutschen Volksliedern‘ von Johannes Brahms aufgefallen." Der in Hamburg geborene Komponist lebte lange in Wien, vermutlich hat er das Motiv aus unseren volkstümlichen Liedern aufgegriffen. "In den Notensammlungen alter Wienerlieder habe ich es nicht gefunden, es war wohl ein Stegreif-Element."
Somit gebe ich das schwierige Thema an meine Leserschaft weiter und hoffe auf zusätzliche Hinweise.