
"extra"-Ressortleiter und Fan von Sport und Sportjournalismus: Gerald Schmickl.
Seit ich als Jugendlicher Sportreporter werden wollte, habe ich mir - obwohl mein juveniler Wunsch knapp verfehlt wurde - eine enge emotionale Beziehung zu der Profession erhalten. Und zwar eine positive - im Gegensatz zu den allermeisten Österreichern, die oft einen biblischen Hass vor allem auf TV-Kommentatoren entwickeln.
Der diese Woche verstorbene Sigi Bergmann hat in seinem Buch "Aus dem Notizbuch eines Sportreporters" (Seifert Verlag, 2013) aufgelistet, was er in Zeiten, als Shitstorms noch nicht in heute üblicher Heftigkeit tobten, alles an verbalen Unflätigkeiten und handfesten Drohungen erhielt. Noch mehr setzten ihm aber zynische Bemerkungen hochnäsiger Kritiker zu: "Die Boxer machens mit den Fäusten, das hinterlässt oft gebrochene Nasenbeine und zerfurchte Gesichter, die Kritiker machen blaue Flecken auf der Seele."
Bergmann, der mehr als 3.000 Boxkämpfe übertragen hatte, war ein empfindsamer Mensch. Das wirkt nur auf den ersten Blick wie ein Widerspruch. Seine Ausführungen zum Geschehen im Ring waren keineswegs blutrünstig, sondern feinsinnig und auf fast schon liebevolle Weise den sportlichen, tänzerischen Bewegungen zugewandt, ohne die brutalen Seiten auszublenden. Deswegen liebte er Muhammad Ali, dessen Kämpfe er, zum Teil zu nachtschlafener Zeit, allesamt übertrug, aber auch einen geradlinigen, zugleich reflektierten Boxer wie Vitali Klitschko, dessen nunmehr größten Schicksalskampf als Kiewer Bürgermeister Bergmann nicht mehr im gnadenlosen Rhythmus der Live-Ticker mitverfolgen kann.

Sportreporter-Legende Sigi Bergmann, hier im Jahr 2014.
- © Peter JungwirthAuf die Frage, wie ein gebildeter Mensch wie er, Historiker und Opernsänger, ausgerechnet dem Faustkampf derart viel abgewinnen könne, antwortete Sigi - wie auch in einem Gespräch mit mir - gerne mit einem Vergleich: "Nehmen Sie nur ,Tosca: Da bringt sich ein politischer Flüchtling um, weiters wird der Hauptdarsteller, der Maler Cavaradossi, gemartert und schließlich erschossen. Und die Tosca ersticht den Polizeichef und springt zum Schluss von der Engelsburg. Nach solch einem Abend habe ich Angstträume - und gehe am nächsten Tag mit Freude zu meinem friedvollen Boxturnier."
Die vielleicht böseste Bemerkung entfuhr Bergmann nicht beim Boxen, sondern bei der Übertragung eines olympischen Rodelrennens, 1992 in Albertville, als er den deutschen Sieger, Georg "Schorsch" Hackl, der unseren Markus Prock um 13 Tausendstel Sekunden "abgehängt" hatte, live auf Sendung unüberhörbar als "Oasch Hackl" titulierte. Natürlich hat sich Bergmann danach beim leutseligen Bayern entschuldigt - mit den Worten: "Mir war so nach Oasch zumute, das war ein Teil meiner Trauerarbeit!"
Teil unserer Trauerarbeit wird nun sein, diesen manchmal chaotischen, gerne pathetischen, aber stets wunderbar menschlichen Moderator in bleibender Erinnerung zu behalten. Helfen könnte dabei die Vorstellung, wie er gemeinsam mit seinem - ihm im vergangenen Sommer im Tod vorausgegangen - Freund und Kollegen Peter Elstner, dem ebenso leidenschaftlichen Sportreporter und geübten Sänger, vollmundig im Himmelschor trällert. Mit geballten Fäusten.