Gerald Schmickl ist Leiter der "extra"-Beilage der "Wiener Zeitung", die in Tuzzi-Romanen gerne erwähnt wird.

Gerald Schmickl ist Leiter der "extra"-Beilage der "Wiener Zeitung", die in Tuzzi-Romanen gerne erwähnt wird.

Er ist der große Untote in der österreichischen Literatur, der stets auftaucht, wenn es in diesem Land große Verhängnisse abzuwenden gilt: der vornamenlose Beamte Dr. Tuzzi. Zuerst war es eine Dürreperiode, der der damalige Vorsitzende des "Interministeriellen Komitees für Sonderfragen" mittels Wasserbeschaffung beizukommen trachtete (in Jörg Mauthes Roman "Die große Hitze oder Die Errettung Österreichs durch den Legationsrat Dr. Tuzzi", 1974).

Dann war es eine Flut, die der mittlerweile zum Kabinettsdirektor Beförderte trockenzulegen hatte (in Hans Magenschabs "Die große Flut oder die Errettung Mitteleuropas durch den Kabinettsdirektor Dr. Tuzzi", 2004). Und nun soll der inzwischen pensionierte, in einem Seniorenheim lebende Beamte auf seine alten Tage noch eine Doppelaufgabe stemmen: "Das große Beben oder wie der pensionierte Beamte Dr. Tuzzi Österreich in Coronazeiten noch einmal erretten soll" (so heißt das neue Buch von Wolfgang Bartsch, Autor und selbst im öffentlichen Dienst tätig, Verlag Liber Libri, Wien 2022).

Diesmal geht es darum, dass Tuzzi (dessen Onkel übrigens schon in Musils "Mann ohne Eigenschaften" auftaucht) den Vorsitz einer Sonderkommission zur Evaluierung des Pandemiemanagements übernehmen soll. In den Worten des vergleichsweise jugendlichen Überbringers dieses Ansinnens, eines Gesandten des amtierenden Bundeskanzlers "Schnurz", lautet die Beschreibung des Tätigkeitsbereichs freilich anders: eine "Task Force" soll eingerichtet werden, die sich speedy ein "Big Picture" der Situation verschaffen solle, fokussiert auf die "Prio-1-topics"...

Man sieht schon, worauf diese Satire abzielt, in deren weiteren Verlauf - nach einigen kräftigen Erdstößen - auch noch ein großes Beben verhindert werden soll. Und in diesem Sinne ist dieser - teils unterhaltsame, teils schwatzhafte - Roman auch eine Art Beschwörung: nämlich der Tugenden eines untadeligen Beamtentums, das - wie viele Vorgänge der letzten Jahre belegen - leider am Verschwinden ist (dank politischer Besetzungen der Schnurz-Administration).

Bei Jörg Mauthe (1924-1986) hatte Dr. Tuzzi seinen Erstauftritt. 
- © Edition Atelier

Bei Jörg Mauthe (1924-1986) hatte Dr. Tuzzi seinen Erstauftritt.

- © Edition Atelier

Tuzzi also als Inbegriff des effizienten Staatsdieners (im Kontrast zum medialen Karrieristen), wie wir ihn nun eben fast nur noch aus der Literatur kennen. Aber auch da verschwindet er. Denn gegen Ende der buchstäblich ins Sagenhafte abdriftenden Handlung ist der pensionierte Beamte plötzlich wie vom Erdboden verschluckt (nachdem sich die Inzidenzzahlen der Pandemie freilich radikal verringert haben und das große Beben ausbleibt, also sozusagen mission accomplished). Und da kommt auch unser ehrwürdiges Blatt ins Spiel: "Gerade einmal der Wiener Zeitung war die Abgängigkeit des einstigen Volksheldens der Großen Flut eine kleine Spalte wert, wobei der blutjunge Journalist ,Dr. Tutzi‘ geschrieben hatte..." (Na so was!)

Bei Jörg Mauthe in der "Großen Hitze" hatten wir noch diesen Auf- bzw. Abtritt: ",Kompliment, Herr Doktor‘, sagte der Ministerialrat Haberditzl, der stets als erster im Amte war, die Morgenpost bereits gelesen hatte und sich nun, die amtliche ,Wiener Zeitung mit dem Amtsblatt‘ in der Hand, auf dem Wege zur Toilette befand."

(Zum "Prinzip Tuzzi" siehe auch diesen Essay von Andreas Schindl aus dem Jahr 2011)