Irene Prugger, geboren 1959, Schriftstellerin und freie Journalistin, lebt in Mieming, Tirol.

Irene Prugger, geboren 1959, Schriftstellerin und freie Journalistin, lebt in Mieming, Tirol.

An langen Wochenenden mit dem Auto in Richtung Süden aufbrechen? Lieber in Richtung Norden oder zu Hause bleiben. Letzthin stand ich trotzdem im Stau, und während ich mich im Schritttempo über die Bundesstraße quälte (ich war so dumm wie viele andere gewesen und angesichts der Autokolonnen von der Autobahn abgefahren), lief im Autoradio eine interessante Sendung.

Idealistische junge Menschen wurden vorgestellt, die sich im Rahmen des ambitionierten Projektes "Climate Walk" in verschiedenen Gruppen und zwei Teams aufmachen, Europa zu durchwandern. In elf Monaten wollen sie 12.000 Kilometer durch 18 europäische Länder und unterschiedliche Klimazonen zurücklegen - mit dem Zweck, die Auswirkungen des Klimawandels anhand von konkreten Beispielen zu untersuchen.

Startpunkte sind das norwegische Nordkap und das portugiesische Cabo da Roca, das Ziel ist Wien. Indem sie wandernd verschiedene Gegenden erkunden und die dort lebenden Menschen befragen, wie diese den Klimawandel in ihrer Region wahrnehmen, werden die Aktivisten die Folgen der bereits jetzt spürbaren Veränderungen dokumentieren sowie Ideen für Lösungsansätze sammeln und miteinander vernetzen.

Während ich zuhörte, wie diese jungen Leute engagiert einer nachhaltig gestalteten Zukunft entgegengehen, hatte ich im erzwungenen Stillstand genügend Zeit, auf einer Hausbank sitzende Kinder zu beobachten, die - jedes in sich versunken - auf ihren Handys herumtippten, bis eines der Kinder kurz den Kopf hob und sich umschaute, als wolle es sagen: "Wir sollten auch mal wieder auf einen Baum klettern oder Springschnur springen oder um die Wette laufen oder sonst ein bisschen Bewegung in unser Leben bringen." Aber das dachte es vermutlich nicht, denn es ließ den Kopf gleich wieder sinken, um seinem digitalen Zeitvertreib nachzugehen.

Nachgehen, erfahren ... Die Sprache ist beweglicher als wir, überlegte ich, während ich mir ein paar Notizen machte und mich über den Stillstand der Autokolonne ärgerte, der die Vermutung aufkommen ließ, dass die Fahrgeschwindigkeit nicht nur in staugeplagten Innenstädten im Durchschnitt bereits unter der Geh-Geschwindigkeit liegt. Ich fragte mich, ob die nachfolgenden Generationen einmal über uns den Kopf schütteln werden, weil wir - statt bei der Erreichung der Klimaschutzziele Gas zu geben - alle so darauf versessen waren, eine Tonne Blech zu besitzen, die dann ohnedies meist 23 Stunden am Tag herumstand.

Aber vielleicht finden ja die Klimawanderer heraus, dass diesbezüglich im Denken und Handeln der Menschen doch etwas Entscheidendes in Bewegung geraten ist. So grübelte ich im Staugestank vor mich hin, bis ich hochschreckte, weil mich der Fahrer hinter mir mit ungeduldigem Hupen aufforderte, die fünf Meter, die sich zwischen meinem Wagen und dem Wagen vor mir aufgetan hatten, schleunigst aufzuholen.