Dass die Digitalisierung manche Unbilden mit sich bringt, liegt auf der Hand. Aber heute ist mir wieder einmal aufgefallen, wie sehr sich der allgemeine Hang und Drang zum Maschinenwesen, zur Automatisierung und Schematisierung unseres Alltags gegen das analoge Wesen Mensch richtet. Oder war es Zufall, dass sich an den Kassen des Supermarkts ums Eck Menschenschlangen stauten? Also dort, wo die Kassen noch mit Kassiererinnen aus Fleisch und Blut besetzt waren (ganze zwei), während die gleich nebenan placierten Kassenautomaten nur eine Handvoll Kunden ansteuerten. Und selbst bei den eiligsten Selbstbedienungs-Fans musste immer wieder ein Aufpasser eingreifen, der mit stoischer Miene Fehlbedienung korrigierte, Frust ableitete oder gar Schlimmeres verhinderte. Ab und zu drang halblautes Fluchen an meine Ohren.

Was hält Menschen davon ab, Maschinen zu vertrauen? Wenn Sie mich fragen: ein tiefes Unbehagen. Eine Ja/Nein-Dichotomie, die sich - passend zur Null/Eins-Trennschärfe der Digitalsphäre - einerseits in bewunderndem Staunen über die Fortschritte der Technik (bis hin zu Künstlicher Intelligenz, Bionik und Robotik) ausdrückt, andererseits aber an ihren Spielregeln, Eigengesetzlichkeiten und Systemwidrigkeiten scheitert. Scheitern muss.
Ich orte längst Verzweiflung oder gar Apathie, wo eigentlich die hellste Freude über all die eilfertigen, hilfsbereiten und immerzu freundlichen Helferleins, Chat-Bots und High-Tech-Assistenten herrschen sollte, die unseren Alltag bevölkern - vom Fahrkartenautomaten bis zur Banküberweisung, von der Theaterreservierung bis zur Flugbuchung, vom Arzttermin bis zum Amtsweg. Die meisten Systeme setzen einerseits die Kenntnis maschineller Logik voraus (die ständig auf menschliche Unlogik prallt), andererseits ganz ungeniert auch einen kompatiblen Maschinenpark zu ihrer Bedienung. Schon einmal versucht, das Kolosseum in Rom ohne Smartphone zu besuchen? Ein Web-Formular ohne Laptop und Online-Zugang auszufüllen? Oder sich im Seniorenheim partout nicht via Heimcomputer anzumelden?
Im Klartext: Ich halte es für einen Skandal, wie die Propheten der Digitalisierung auf jene Menschen vergessen, die skeptisch sind, altmodisch, nicht (mehr) lernfähig, unwillig und, ja, gewiss auch unfähig.
Es sind vor allem ältere und alte Menschen, die schon mit ihrer TV-Fernbedienung oder ihrem Hörgerät nicht mehr wirklich zurechtkommen, geschweige denn mit einer komplexen Supermarkt-Selbstbedienungskassa samt Kartenschlitz. Aber haben sie es kraft ihres notorischen Lebenswillens verdient, von den Rändern des Fortschritts zu fallen? Und von lebensfremden Usability-Architekten und boboesken Effizienz-Managern zu Parias des Informationszeitalters erklärt zu werden?
Noch ordne ich mich selbst ja nicht dieser Zielgruppe (eher: Ex-Zielgruppe) zu. Aber die Digitalisierung - ein abstraktes Monstrum, das sich überraschend oft konkret manifestiert - nervt, lähmt und terrorisiert auch mich. Ständig. Mehr und mehr. "Wenn ich Amok laufe, weiß man, warum", hat mir gerade ein Freund auf Facebook geschrieben.
Ich fühle mit ihm.