Kein Wort polarisiert so sehr wie "lecker". Das Adjektiv gehört zu einem Verbum, das in Österreich, in der Schweiz und in Süddeutschland als "schlecken" realisiert wird, in der Mitte Deutschlands und im Norden als "lecken". Deshalb empfinden wir "lecker" als fremd.

Ich glaube, dass der Siegeszug von lecker nicht gebremst werden kann. Wörter, die vom Norden in den Süden vordringen, haben das Fernsehen und das Kino mit den norddeutschen Synchronisationen auf ihrer Seite. Dadurch entsteht ein gewaltiger Druck. Noch dazu ist das Wort multifunktional. Die Speisen eines Büfetts können "lecker ausschauen" und "lecker schmecken". Es ist auch nicht inkonsequent, gegen lecker zu sein und gleichzeitig Wörter wie Leckermaul und Leckerbissen zu akzeptieren. Häufig wird innerhalb einer Wortfamilie ein Wort geächtet, während andere akzeptiert werden.
Das krasseste Beispiel ist Quark - ein Unwort, während uns Quargel, ein Wort gleicher Herkunft, wie selbstverständlich über die Lippen kommt.
Neulich habe ich im Internet ein Plädoyer für lecker gefunden: Auch berühmte österreichische Schriftsteller hätten lecker verwendet, es wäre absurd, lecker als "unösterreichisch" abzutun. Als Beweis wurden drei Beispiele genannt. In Franz Grillparzers "König Ottokars Glück und Ende" fragt der Herrscher den Wiener Bürgermeister: "Hast du für deinen leckern Gaum gezittert?" Zu Grillparzer ließen sich noch einige weitere Belegstellen finden, so beispielsweise die Wendung "die leckere Forelle" - er eiferte in seiner Kunstsprache den deutschen Klassikern nach.
Im Stück "Der Zerrissene" von Johann Nestroy sagt die Kathi zum Herrn von Lips: "Ich wär‘ glücklich, wenn ich Euer Gnaden alle Leckerbissen der Erde vorsetzen könnt’, aber . . .". Darauf dieser: "Du bist so eine liebe Kathi, dass mir dieses Fruahstuck, von deiner Hand gereicht, zum allerleckersten Leckerbissen wird." In diesem Fall verwendet der Herr von Lips das Wort Leckerbissen in Kombination mit einem normalerweise nicht konstruierbaren Superlativ von lecker.
Im Drama ,,Kain" von Anton Wildgans streiten die Brüder Kain und Abel um die gerechte Aufteilung ihres elterlichen Erbes. Unter anderem betont Abel: "Des Kain der Wald, leckeren Wildbrets voll!" Darauf antwortet Kain wütend: "Wild lecker auch für Abel, Wald voll Kampf!" Hier steht das Wort im Umfeld einer Fachsprache, in der lecken statt schlecken verwendet wird. Auch der österreichische Jäger sagt: Der Hirsch leckt das Salz.
Bei Nestroy und Wildgans gibt es also sprachspielerische Motive für die Verwendung des Ausdrucks. Aber so oder so: Es handelt sich um Einzelfälle. Sieht man von "das allerleckerste" ab, legt Nestroy kein einziges Mal einer Figur das ominöse Wort in den Mund - es würde nicht passen, so hat man damals nicht geredet.
Mit dem Prinzip der Induktion lässt sich auch hier nichts beweisen. Es ist eine Illusion zu glauben, dass man aus einigen beobachteten Einzelfällen eine allgemeine Erkenntnis entwickeln kann. Sir Karl Popper, schau oba!