Vor mir liegt ein Objekt, das Gewichtigkeit signalisiert. Ein Ziegel aus Karton und Papier und Vinyl, der zu Ehren des 25. Todestages von Falco aufgelegt wurde - die Deluxe-Edition seines Debütalbums "Einzelhaft", neu gemischt und mit persönlichen Anmerkungen versehen von seinem damaligen Produzenten Robert Ponger. Vielen gilt dieses Werk, erschienen 1982, als das beste der heimischen Pop-Historie. Somit ist es nur würdig und recht, wenn es frisch auf den Markt kommt, auch wenn es leicht zweifelhaft erscheinen mag, ob man die zwei weiteren Scheiben mit Instrumentalversionen und Remixen wirklich braucht. So ist das halt mit Jägern und Sammlern: Sie würden die Box auch kaufen, wenn das Vinyl nur eine andere Farbe hätte als das Original (übrigens einer der beliebtestens Schmähs der Branche). Die überschaubare Auflage - ich schätze, gerade mal eintausend Exemplare, vielleicht zweitausend - tut ihr übriges. So ist die Deluxe-Materialschlacht für Plattensammler und Vinylfetischisten natürlich ein begehrenswertes Artefakt. Sie strahlt - das erhöht eventuell den Reiz - ganz entschieden den Geist der Vergangenheit aus. Purer Zufall: Einst war ich ganz nahe am Geschehen, als Zeichenprofessor und "Drahdiwaberl"-Kopf Stefan Weber das Cover zu "Einzelhaft" bastelte. Und Label-Impresario Markus Spiegel Schülerzeitungs-Redakteuren stolz das Opus Magnum präsentierte. Hans Hölzel kannte man als gelackten Bassisten von der Live-Bühne, sowieso. Man wird unweigerlich nostalgisch, wenn man an die "Schnellen Jahre" und die neuen Wellen der frühen Achtziger denkt.

Walter Gröbchen ist Label-Betreiber (www.monkeymusic.at), Musikverleger und Autor in Wien. Mehr Kommentare und Kolumnen auf seinem Blog groebchen.wordpress.com
Walter Gröbchen ist Label-Betreiber (www.monkeymusic.at), Musikverleger und Autor in Wien. Mehr Kommentare und Kolumnen auf seinem Blog groebchen.wordpress.com

Der Treppenwitz der Geschichte ist ja: Mit Vinyl fährt Falcos Plattenfirma (bzw. ihre Nach-Nachfolgerin) mehr Umsatz und Gewinn ein als mit Millionen Klicks auf Spotify & Co. Musik-Streaming hat sich zwar als höchst attraktiv und bequem für die Masse der Konsumenten erwiesen, aber der schwedische Internet-Vorreiter und Marktführer Spotify schreibt immer noch rote Zahlen. Und die Masse heutiger Künstlerinnen und Künstler sieht dito (ob der geringen Cent-Bruchteile pro Abruf) durch die Finger, während sich die Musikindustrie en gros die Hände reibt. Hier macht sich der "long tail", das Erbe von Jahrzehnten, Länge mal Breite bezahlt. Wer einst einen Vertrag unterschrieben hat, der für das physische Business (eben Vinyl, MusiCassetten und CDs) lukrativ oder zumindest akzeptabel war, sieht im Online-Zeitalter alt aus. Falco hätte dazu, würde er noch leben, wohl ein paar deftige Worte verloren.

Dass das nicht ewig so weitergehen kann mit dem für Künstler negativen Überraschungseffekt des Streaming-Zeitalters, hat mittlerweile selbst der Boss des Branchengiganten Universal Music erkannt - er fordert ein neues, faires Geschäftsmodell (und könnte es glatt selbst umsetzen). Verdienen tun die Großen immer noch genug: Man male sich etwa die Hits von Falco als weltweiten TikTok-Hype aus. Selbst bei absehbar inferioren Musical-Adaptionen - demnächst in Wien - klingelt die Kasse. Mir selbst bleibt nur die Hoffnung (wäre ich denn Spekulant), dass auf Discogs, der größten Online-Plattenbörse weltweit, der Preis für die "Einzelhaft"-Schachtel rasant anzieht.