
Kaiser Trajan, hier auf einer Goldmünze dargestellt, weilte während der Beben im Jahr 115 n. Chr. in Antiochia am Orontes.
- © American Numismatic Society, CC0, via Wikimedia CommonsEs war zweifellos eine der bedeutendsten Metropolen im östlichen Mittelmeerraum, die durch den Handel zwischen Orient und Okzident reich und mächtig geworden war: Antiochia am Orontes war bereits 307 v. Chr. gegründet worden und hatte sich rasch zu einer prosperierenden Siedlung entwickelt, deren strategisch günstige Lage im äußersten Nordwesten der römischen Provinz Syria in den militärpolitischen Überlegungen der römischen Kaiser immer wieder eine entscheidende Rolle spielte. Der aus Antiochia stammende römische Historiker Ammianus Marcellinus beschreibt seine Heimatstadt im 4. Jh. n. Chr. als "die weltberühmte, mit der sich keine vergleichen lässt, was den Überfluss der eingeführten und einheimischen Waren betrifft".
Das weckte Begehrlichkeiten: Kriegerische Auseinandersetzungen gab es in der Region genug, genährt von der Rivalität des Imperium Romanum und seiner potenten persischen Nachbarn im Nahen und Mittleren Osten. Doch daneben gab es noch eine ganz andere Bedrohung, die immer wieder Opfer forderte: Heftige Erdstöße erschütterten Antiochia schon im Jahr 115 n. Chr., und das zu einem Zeitpunkt, als die Stadt gerade hohen Besuch hatte: Kaiser Trajan war vor Ort, als am 13. Dezember die Erde bebte.
Im Werk des römischen Geschichtsschreiber Cassius Dio ist zu lesen, dass Antiochia damals viele Zivilisten und Soldaten aus dem ganzen Reich beherbergte, da sich Trajan dort sein Winterquartier gesucht hatte. Angeblich begann das Erdbeben mit einem lauten Donnern, gefolgt von einer starken Erschütterung. Ganze Bäume und zahlreiche Bewohner wurden in die Luft geschleudert. Viele Menschen wurden auch durch herabfallende Trümmer getötet, andere eingeschlossen. Nachbeben töteten einige der Überlebenden, während Eingeschlossene verhungerten. Auch der Kaiser war von der Naturkatastrophe betroffen, konnte aber das Haus, in dem er sich befunden hatte, durch ein Fenster verlassen und erlitt daher nur leichte Verletzungen. Aufgrund der Gefahr von Nachbeben zog er mit seinem Gefolge in das offene Hippodrom.
Antiochia wurde prächtig wieder aufgebaut und behielt seine herausragende Rolle als Drehscheibe im Handel zwischen Orient und Okzident bis in die byzantinische Zeit. Doch auch die Gefahr von Erdbeben blieb bestehen und gipfelte in einer erneuten Naturkatastrophe, die im Jahr 526 bis zu 250.000 Menschen das Leben gekostet haben soll. Es gehört zu den schwersten Erdbeben, die in der Geschichte jemals dokumentiert wurden. Die heutigen Bewohner des syrisch-türkischen Grenzgebiets stehen vor einer vergleichbaren Herausforderung und müssen sich einmal mehr den verheerenden Gewalten der Natur stellen.