
Irene Prugger, geb. 1959, Schriftstellerin und freie Journalistin, lebt in Mieming, Tirol.
Ich brauche ein witziges Wortspiel für einen Text, aber mir fällt keines ein. Als Inspiration drehe ich eine Runde durch die Stadt, wobei mir wieder bewusst wird, wie mehr oder weniger originell sich die Werbung allseits der Poesie bemächtigt. An mir fährt ein LKW vorbei mit der Aufschrift: "Genuss ist ein Laster", die Stadtreinigung wirbt mit "We kehr for you" und die Straßenreinigungsmaschine nennt sich "Feganer". Die Mülleimer verkünden philosophisch: "Das Dreckige muss ins Runde" oder weisen mich auf ein "Mistverständnis" hin. Passanten tragen T-Shirts mit der Aufschrift "Leerdenker" oder "EleGans".
Aus einer Baustelle wird eine Bau(m)stelle, obwohl hier weit und breit kein Baum steht, vermutlich wird ein Holzhaus gebaut. Die Friseure nennen ihre Läden "Haar-A-Kiri" oder "Kopfsache", was immer noch besser ist als Kopfsalat. Die Cafés laden ein zum "Kaffee Klatsch" oder in die "Kaffee Kanne". Lange vorbei die Zeit, als Restaurants "Post", "Krone" oder "Edelweiß" hießen, jetzt heißen sie "Essbar" und "Grillin me softly", der Burgerladen trägt die Aufschrift "Burgermeister". Auch zum Löwen, Bären und Hirschen geht man mittlerweile kaum noch, sondern "Zum Kuckuck". Der Bäcker stellt sich als Mann vor, der seinen Beruf mit "Laibenschaft" ausübt. Und er betreibt eine Mehlbox. Der Feinkoster wirbt mit Delikat-Essen. Was RafinEssen sein soll, weiß ich nicht, klingt jedenfalls ungesund. Außerdem gibt es hier Häppy Häppchen, weil Rechtschreibung eh Powidl ist.
Beim "Buch Halter" stöbere ich nach Reiselektüre und kaufe Tim Parks Bahnreisebuch "Italien in vollen Zügen". Im Lebensmittelladen kann ich an der Kassa "Gutschweine" erwerben. Aber ich habe nur Eier gekauft, geliefert von einer "Hühnerei", was mir lieber ist als eine Eierwerkstatt, denn Werkstätten gibt es bereits genug: Genusswerkstatt, Bonbonwerkstatt, Knödelwerkstatt, und der möbelproduzierende Handwerker nennt seinen Betrieb "Handwerkstatt", die sich vielleicht sogar in einer Handwerkstadt befindet.
Die Autowerkstatt allerdings heißt nun "Wheeler-Healer" oder "Auto-Wellness". Das lässt mich an das Hotel denken, in dem ich letzthin untergebracht war. Dort hieß die Sauna "Saunatur" ... Immerhin nannte sich das Hotel-Restaurant nicht Saumagen. Schon geht es weiter: Willis Würstchenbude - kein Wortspiel, aber mit Apostroph, der wohl einen Strich Senf symbolisieren soll. Ist zwar bei Firmennamen korrekt, wie ich später bei einer Bloggerin nachlese, die sich "Wortschatz" nennt. Bei Willi, der meint, dass einem Wurst nicht wurst sein sollte, scrolle ich durch die Nachrichten des Tages, lese "Neues vom Dauerzustand" und Postings zum Krieg, die über "Arschflugkörper" schreiben.
Zuhause höre ich mir ein "Ein halbes Doppelalbum" an, aus alten Zeiten, als originelle Wortspiele noch erfrischend selten waren, während sie heute, weil zu oft bemüht, selten erfrischend sind. In meine Schreibwerkstatt gehe ich an diesem Tag nicht mehr.