Hans-Paul Nosko hat Rechts- und Staatswissenschaften studiert und lebt als Journalist und Glossist in Wien. 
- © Robert Newald

Hans-Paul Nosko hat Rechts- und Staatswissenschaften studiert und lebt als Journalist und Glossist in Wien.

- © Robert Newald

Manchmal ist es besser, wenn Träume sich nicht erfüllen. Als ich mich dem führerscheinfähigen Alter näherte, rangierte ganz oben auf der Liste meiner Wunschautos ein Franzose namens Renault Alpine A110. Für all jene, die sich nicht schwerpunktmäßig mit der Vierradbranche befassen: 175 PS, 215 km/h Höchstgeschwindigkeit, und bereits in den 1960er Jahren fünf Gänge. Der Flitzer war in erster Linie für Rallyes konzipiert, nahm sogar an den Le-Mans-Rennen teil, besaß jedoch auch eine Zulassung für die Straße. Wunderschön anzusehen, im Stadtverkehr eher fehl am Platz und für Urlaubsfahrten schlicht ungeeignet.

Es kam die Matura, es kam die Führerscheinprüfung und es kam ein Renault - allerdings hieß dieser nicht Alpine A110 sondern 5L, besaß 36 PS, dafür aber vier Sitzplätze. Ich absolvierte weder die legendären 24 Stunden noch die Rallye Monte Carlo, befuhr vielmehr den Gürtel oder kurvte über die Höhenstraße. Als ich nach etwa einem Jahr feststellte, dass ich eigentlich keinen eigenen Wagen benötigte, verkaufte ich das kleine Ding, fuhr wieder mit der Straßenbahn oder ließ mich von motorisierten Freunden mitnehmen.

Kürzlich erzählte mir ein Bekannter bei einem Kaffeehausplausch, er sei gerade dabei, einen alten Rallyewagen zu restaurieren. Wir gingen in seine Garage - und dort stand er: ein alter Renault Alpine, noch nicht ganz fertiggestellt, aber rein äußerlich mit allem Drum und Dran, das zu einem Rennauto gehört. Mein Bekannter erklärte mir im Schnelldurchlauf, was alles noch zu erneuern sei, worauf ich ihm von der automobilen Schwärmerei meiner Jugend berichtete.

Nach einigen Minuten der Bewunderung fragte ich ihn, ob ich am Volant Platz nehmen dürfe. Ich öffnete die Fahrertüre, bückte mich, winkelte das linke Bein stehend ab, versuchte, mich mit der rechten Hand am niedrigen Dach festzuhalten, streckte das rechte Bein in Richtung Gaspedal aus, knickte das linke noch mehr ab, ließ mich in den Sitz sinken und bugsierte das linke Bein ins Wageninnere. Da saß ich nun, fast auf Bodenniveau der Garage, und als mein Bekannter mir dann noch die Hosenträgergurte anlegte, hatte ich das sehr bestimmte Gefühl, von den Schultern bis zum Popo eingemauert zu sein.

Um das Rallye-Feeling zu vervollkommnen, ergriff ich in vorschriftsmäßiger Zehn-vor-Zwei-Haltung das Lenkrad, verharrte ehrfürchtig einige Augenblicke und machte mich schließlich daran, wieder auszusteigen. Die Übung dauerte nur unwesentlich länger als das Einsteigemanöver. Wieder aufrecht stehend, beglückwünschte ich mich zu jeder Viertelstunde Morgengymnastik, die ich je absolviert habe - und zu der wohlwollenden Hand des Schicksals, die es mir verunmöglichte, ein derartiges Fahrzeug anzuschaffen. Vielleicht kann ich ja, wenn der Bolide wieder straßentauglich ist, darin eine Runde um den Häuserblock drehen.