Der Prinz aus Afrika hat mir schon länger nicht mehr angeboten, ein paar Millionen nach Wien zu überweisen. Dafür habe ich Post von der Wirtschaftskammer bekommen, die nicht von der Wirtschaftskammer ist. Post von meiner Hausbank, die nicht von meiner Hausbank ist. Post vom Finanzamt, die nicht vom Finanzamt ist. Wenigstens die Post vom Steuerberater war echt. Aber der ist auch der einzige gewesen, der nicht an die Kontodaten wollte.
An den heimischen Universitäten, so erzählt mir wer, der es wissen muss, wollen sie schon sehr bald die schriftlichen Prüfungen abschaffen, weil sie nur bei den mündlichen Prüfungen wenigstens halbwegs sicher sein können, dass da wirklich ein Mensch vor ihnen sitzt und keine Maschine.
Früher habe ich gemeint, dass die Zukunft so ausschaut wie das Cockpit vom Raumschiff Enterprise. Heute weiß ich, dass die Angst vor dem Angriff der Klingonen völlig unbegründet war. Die Klingonen kommen nicht. Was kommen wird, ist längst schon da. Und es ist weit gefährlicher als ein Angriff aus dem All.
Wir haben modernste Technologien entwickelt, die einzig und allein zum Lügen und zum Betrügen dienen, zum gegenseitigen Vernadern und zum internationalen Ausspionieren, und anstatt diese Technologien einfach abzudrehen, entwickeln wir sie fröhlich weiter. Die Privatsphäre existiert nicht mehr. Die Menschenwürde ist weniger wert als ein Computerchip. Die Wahrheit wurde zum Wort, das es gestern in Gedichten gab. Das 21. Jahrhundert wird das Zeitalter der Täuschung sein. Das Leben im Trickbetrug. Vielleicht wird das sogar lustig vor dem Knall.
Bitte um Verzeihung, ich muss den Text kurz unterbrechen. Meine Tochter hat eine dringende SMS geschickt. Sie ist in einen schlimmen Autounfall verwickelt und braucht fünftausend Euro, um aus der Sache wieder rauszukommen. Gleich wird wer vor der Haustür stehen. Er ist so freundlich und übernimmt das Geld.
Ich weiß beim besten Willen nicht, was uns die künstliche Intelligenz bringen soll, wenn wir darüber unsere natürliche Intelligenz verlieren. Die Menschheit verblödet beim Gescheiterwerden. Bin ich der einzige, der das furchtbar findet?
Manchmal meine ich, dass die paar hundert Ureinwohner, die abgeschieden von der modernen Welt versteckt in tropischen Regenwäldern leben und mit unseren Ideen und Erfindungen rein gar nichts zu tun haben wollen, die richtige Entscheidung getroffen haben. Andererseits bin ich aber auch von gestern. Das bekomme ich immer deutlicher zu spüren.
Wiener Journal: Die Menschheit verblödet beim Gescheiterwerden
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