Damit hat die Redaktion der "ARD-Tagesschau" viel Staub aufgewirbelt: Auf der Internet-Seite des Senders haben zwei Redakteurinnen über eine familienpolitische Maßnahme der deutschen Bundesregierung berichtet: "Zehn Arbeitstage sollen angestellte Partnerinnen oder Partner von gebärenden Personen künftig nach der Geburt freigestellt werden."

Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, jüngst ist bei Haymon "Sprachwitze. Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen" erschienen.
Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache, jüngst ist bei Haymon "Sprachwitze. Die Formen. Die Techniken. Die jüdischen Wurzeln. Mit mehr als 500 Beispielen" erschienen.

Diese Formulierung kam nicht gut an: "‚Tagesschau‘ streicht das Wort Mutter", empörte sich etwa die "Bild". Und der Chefredakteur des "Merkur" polterte: "Solch eine Gaga-Sprache beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk grenzt die große Mehrheit immer mehr aus." Bayerns konservativer Ministerpräsident Markus Söder twitterte: "Das kann doch nicht ernst gemeint sein! Für so einen Unsinn braucht es keine Zwangsgebühren." Auf "Bild"-Anfrage hatte die "Tagesschau"-Redaktion erklärt: "Der Begriff wurde gewählt, um niemanden zu diskriminieren." Wen genau? Keine Antwort. Der mediale Sturm der Entrüstung führte einen Tag später zu einem Rauschen im österreichischen Blätterwald. Dass die ARD-Redaktion den Text später korrigierte und "gebärende Person" durch das Wort Mutter ersetzte, war da und dort in einer kleinen Meldung zu lesen.

Warum haben die Redakteurinnen das Wort Mutter vermieden? Erst im Zuge einer Internet-Recherche fand ich die Lösung des Rätsels: "Transmann muss sich laut Urteil in Geburtsurkunde als Mutter bezeichnen lassen", so der Titel eines Berichts auf www.derstandard.at. Es geht um ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Demnach können Transpersonen ihre Mutter- und Vaterschaft nach einer Geschlechtsanpassung nicht verändern. Als Mutter wird die Person registriert, die das Kind zur Welt gebracht hat, und als Vater die Person, mit deren Sperma es gezeugt wurde.

Ein Beispiel: O. H. war bei seiner Geburt 1982 als weiblich registriert worden. 2011 erkannte ein Gericht an, dass er fortan ein Mann ist. Weil er danach seine Hormonbehandlung unterbrach, konnte er 2013 mithilfe eines Samenspenders einen Sohn zur Welt bringen. Daraufhin wollte O. H. in der Geburtsurkunde als Vater des Kindes anerkannt werden.

In einem anderen Fall ging es um A. H. Diese Person wurde bei der Geburt 1979 als männlich registriert. 2012 erkannte ein Berliner Bezirksgericht an, dass A. H. eine Frau ist. 2015 brachte G. H ein Kind zur Welt, das mithilfe von A. H.s Sperma erzeugt wurde. Sowohl A. H. als auch G. H wollten nun als Mutter im Geburtenregister registriert werden. Bei der biologischen Mutter G. H. klappte dies, bei A. H. nicht.

Das entsprechende Vorgehen deutscher Behörden habe die Persönlichkeitsrechte Transsexueller nicht verletzt, urteilte der EGMR. Rechtens sei auch, dass der Eintrag der Mutter mit dem ursprünglichen weiblichen Namen und der des Vaters mit dem ursprünglichen männlichen Namen erfolgt sei, urteilten die Straßburger Richter. Unerheblich sei, ob die Geschlechtsanpassung vor oder nach der Geburt des Kindes erfolge.

Eigentlich ist das logisch und vernünftig. Unvernünftig war nur die Wortwahl der ARD in einem Bericht über allgemeine familienpolitische Maßnahmen.