Die in Düsseldorf erscheinende "Wirtschaftswoche" hat eine Art Aufruf gestartet: Wie lautet das längste Wort der deutschen Sprache? Die Frage ist knifflig, denn lange Zeit stand Rindfleischetikettierungsüberwachungsaufgabenübertragungsgesetz mit 63 Buchstaben an der Spitze der Wortungetüme - es stammte aus dem Recht des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern. Seit dem Jahr 2013, als der Schweriner Landtag das Gesetz aufhob, ist der erste Platz vakant. Das Gesetz war 1999 zum Schutz der Verbraucher vor der Rinderseuche BSE verabschiedet worden.

Es geht um Wörter, die authentisch sind, also zumindest in schriftlicher Form existieren, in Frage kommen vor allem Bezeichnungen von Gesetzen oder Verordnungen. Sie stehen exemplarisch für ein Wesensmerkmal der deutschen Sprache: Theoretisch können im Deutschen im Rahmen eines Mehrfachkompositums beliebig viele Wörter ohne Bindestrich aneinandergereiht werden, im Englischen steht dazwischen meist ein Leerzeichen.
In der Praxis gibt es allerdings Grenzen. Um die Verständlichkeit zu wahren, wird vernünftigerweise oft ein Bindestrich gesetzt: Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz. Im Wettbewerb um das längste Wort hat dieser Gesetzesname nur 34 und nicht 45 Buchstaben. Ich halte Arbeitslosenversicherungsbeitragsverordnung für rekordverdächtig, aber vielleicht habe ich nicht gewissenhaft die Liste der Gesetze und Verordnungen durchgeackert. Ein Ausdruck zum Wahlmarathon um das Präsidentenamt im Jahr 2016 war jedenfalls nicht nur "Wort des Jahres", sondern mit 51 Buchstaben auch eines der längsten, das je gesichtet wurde: Bundespräsidentenstichwahlwiederholungsverschiebung.
Als Kinder haben wir uns an dem Wort Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän erfreut. Allerdings wurde die Gesellschaft in den 1990er Jahren aufgeteilt und privatisiert. Ihre Nachfolgegesellschaften sind die DDSG Blue Danube im Passagierbereich und die DDSG Cargo im Frachtbereich. Letztere wurde 2007 weiterverkauft und in Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft rückbenannt, firmiert seit 2013 aber als First-DDSG. Von 1992 bis 1996 stand im Guinness-Buch der Rekorde die Donaudampfschifffahrtselektriztätenhauptbetriebswerkbauunterbeamtengesellschaft - ich behaupte, dass dieses Wort nie existiert hat. Die Legisten in Deutschland scheinen sich einen Spaß daraus zu machen, die Gesetze und Verordnungen mit möglichst langen Mehrfachkomposita zu bezeichnen. Von 2003 bis 2007 gab es eine Grundstücksverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung mit 67 Buchstaben. Wer der Ansicht ist, dass derartige Wörter auch nach Aufhebung des juristischen Sachverhalts weiter existieren - zur Beschreibung einer historischen Tatsache -, wird dieser Verordnung den Spitzenrang einräumen.
Nestroy verpasste einem Stück den Titel "Der Zauberer Sulphurelectrimagneticophosphoratus und die Fee Walpurgiblocksbergiseptemtrionalis", die Ehe bezeichnete er als "Mannundweibeseinleibleidundfreudmiteinanderertragungsanstalt" - das ist ein Verstoß gegen die Prinzipien zur Bildung von Mehrfachkomposita, aber gerade dadurch entsteht ein komischer Effekt.