
Andreas Wirthensohn, geboren 1967, lebt als freier Lektor, Übersetzer und Literaturkritiker in München.
Wenn es um die Haltung zum Sport - also dazu, selbst Sport zu treiben - geht, gibt es zwei Fraktionen. Die eine schwört auf Winston Churchill, der bekanntermaßen vehement für "No sports!" plädierte und angeblich sogar "Sport ist Mord" gerufen haben soll. Die Fakten zumindest haben diese Sportverächter auf ihrer Seite: Der zweimalige britische Premierminister wurde 90 Jahre alt, und das bei höchst ungesunder Lebensführung (Rauchen, Übergewicht ...)
Die andere Fraktion hält sich an Rainhard Fendrich und dessen Songzeilen "Es lebe der Sport, / er ist gesund und mocht uns hoat" (was auf Hochdeutsch natürlich gar nicht funktionieren würde, "Sport" und "hart" reimen sich nicht mal unrein). Das Liedchen hat inzwischen zwar auch schon vierzig Jahre auf dem Buckel, würde aber noch heute vermutlich jeden ESC-Wettbewerb gewinnen. Und klar, das war damals natürlich ironisch gemeint und zielte auf all die eher teigigen Fernsehsportler, die bei Bier und Chips Formel 1, Boxen und "Schifoan" konsumieren. Und die nie auf die Idee kämen, selbst Sport zu treiben.
Ich persönlich bin ganz klar Fendrichianer - nicht zuletzt deshalb, weil ich erstens das mit gesund und hoat sehr ernst nehme und zweitens besonders gerne die Sportarten betreibe, die ich zuvor im Fernsehen gesehen habe. Das funktioniert überwiegend reibungslos: Fußball ist eh einfach, und ich beherrsche inzwischen sogar die Theatralik eines Neymar, wenn ich mich, leicht getroffen, mit schmerzverzerrter Miene auf dem Rasen wälze. Tennis geht auch (bis auf den Aufschlag), Langlaufen sowieso, und beim Schifoan macht mir ohnehin keiner was vor. Tischtennis und Badminton sind ebenfalls ganz meins, auch wenn sie schändlicherweise nur alle vier Jahre, bei Olympia, mal kurz als fernsehwürdig erachtet werden.
Interessanter wird die Sache dort, wo die Fernsehfaszination schnell in Ernüchterung umschlägt, sobald mans selbst ausprobiert. Das fängt schon beim Rennradausflug auf der Großglocknerhochalpenstraße an: Rauf ging grade noch so (auch wenn es mir ohne die Abgasschwaden aus gefühlt 1.000 Wohnmobilen lieber gewesen wäre), aber bei der Abfahrt rutschte mir das Herz in die Hose. Darts war auch eher schwierig, was aber eher damit zu tun hatte, dass ich mit dem Herunterzählen der Punkte so meine liebe Mühe hatte.
Am frustrierendsten aber war die Snooker-Erfahrung (momentan mein Lieblingssport im TV). Als ich da verloren an diesem riesigen Tisch stand und kaum eine dieser kleinen Kugeln lochte, wusste ich: In diesem Fall ist dann doch der Fernsehsport gemütlich auf der Couch die erfüllendere Variante.