Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.
Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.

Wenn der Kolumnist thematische Not empfindet, dann greift er zum Kalender.

Wobei es natürlich nicht so ist, dass es nichts zu sagen gäbe. Ganz im Gegenteil. Nur wie soll man einen Umweltminister, der für Pestizide und gegen Bienen abstimmt, satirisch überhöhen? Ihm einen Job als Projektmanager für ein Atomkraftwerk im Nationalpark Hohe Tauern wünschen? Den nimmt der doch am Ende an!

Und wie kann man einen amerikanischen Fünfjährigen, der seine Schwester erschießt, ironisch brechen? Soll man ihn loben, dass er noch keine Handgranaten bedienen kann?

Und wie will man dem armen, unschuldigen Konsumenten das Faktum, dass unter den Trümmern der zusammengestürzten Textilfabrik in Bangladesch, sich auch Produkte der Super-Günstig-Billig-Kette "Kik" gefunden haben, humoristisch unter die Nase reiben? Wo es doch wirklich jedem klar sein sollte, dass, wenn etwas sehr billig ist, jemand anderer dafür sehr teuer bezahlen muss. Wer’s nicht glaubt, möge Amazon-Mitarbeiter werden.

Das ist alles zweifelsohne beschreibenswert, nur: Es macht keine gute Laune.

Deshalb schaut man in den Kalender. Das ist eine absolut legitime Herangehensweise. Große und ertragreiche Zweige des Kulturbusiness und der Politik leben von diesem Trick. Sie haben ein Museum und wissen nicht, was Sie hinein hängen sollen? Gustav Klimt hat gerade einen runden Geburtstag (letztes Jahr in Österreich). Ihre Oper braucht gefüllte Sitzplätze? Kein Problem, dieser nervige, bombastische deutsche Tonsetzer Wagner feiert sein Abnabelungs-

jubiläum (dieses Jahr in Deutschland und Österreich). Ihr Land ist überschuldet, schlecht regiert, korrupt und voll mit arbeitslosen Jugendlichen, weswegen sie gerne diesen Frust in einen nationalen Taumel lenken würden? Dann gedenken Sie doch einfach ein bisschen des Ersten Weltkriegs und schüren nationale Ressentiments (nächstes Jahr überall in Europa).

Na, dann darf der Kolumnist auch einmal in die Tiefe der Geschichte greifen.

Also: der 4. Mai. Der gibt ja auch einiges her. Es gab sogar mal eine eigene 4.-Mai-Bewegung! Leider in China.

Dafür ist der 4. Mai der inoffizielle "Star-Wars-Tag".

Allerdings leider auf Englisch. Denn nur "May, the fourth" klingt ähnlich wie: "May the force be with you!"

Und doch ist der 4. Mai gerade für dieses kleine Land in den Bergen so wichtig. Dieses Land, umgeben von hohen Gipfeln, bevölkert von Katholiken und seit Jahrhunderten in denselben Traditionen verhaftet. Denn dieses Land hat an diesem 4. Mai 1993 - also vor exakt 20 Jahren - einen großen Schritt gemacht. Da gab es nämlich endlich eine demokratische Verfassung für . . . Andorra.

Oder an welches Land hatten Sie gedacht? Doch nicht Tirol? Nein, da ändert sich so schnell nichts. Da regiert immer noch die ÖVP. Die im übrigen auch den Umweltminister im Bund stellt. Und was soll man mit dem schon machen? Ihm Honig ums Maul schmieren? Na, dann viel Spaß: May the fourth be with you.