Als der - man beachte bitte die lautmalerisch wunderbare Doppelsinnigkeit dieses Wortes! - Wohn-Blog freundevonfreunden.de sozusagen erwachsen wurde, über einen opulenten Bestand an Inhalten verfügte und sich selbstbewusst ein dot.com anhängte, nahm man die Daten und druckte das, was sie transportierten, in ein Buch: Wohnungen von jungen und später nicht mehr ganz so jungen Kreativen zunächst in Berlin und dann, als das Konzept international Freunde fand, aus anderen Metropolen rund um die Welt. Titel: "Freundevonfreunden - Berlin".
Es ist so etwas wie der Status-Bericht über gesicherte Befunde aus einem Langzeitprojekt, das Gesamtbild einer Geschmackskultur, die man zunächst abbildete und dann durch diese Abbildungen mitgestaltete. Es sind auf 336 Seiten 28 Dokumentationen über Berliner Wohnungen mit 550 Farbfotos, im großzügigen Format von 22 mal 30 Zentimetern.
Als der Blog von Scott Schumann (thesartorialist.com), Erfinder der mittlerweile fast inflationär kopierten streetstyle photography, sich zur Benchmark im World Wide Web etabliert hatte, gab es - ein Buch. Und dann noch zwei weitere. Mittlerweile wird sogar eine limited edition angeboten. Der Sinn dieser Aktion lag darin, wie es in der Ankündigung heißt, einen tieferen (was wohl bedeuten soll: ruhigeren) Blick auf die Schönheit der Mode werfen zu können, aus der persönlichen Sicht des ehemaligen "GQ"-Fotografen, vorsortiert und kommentiert. Auch die Freunde von Freunden bieten als Werbezuckerl für die Printausgabe sechs Beispiele von Berliner Wohnungen, die es exklusiv nur im Buch gibt.
Dass das Buch, oder zumindest gedruckte Ausgaben von OnlineAngeboten für kleine oder große Firmen unverzichtbar sind und mithin eine Zukunft haben, ist natürlich eine steile These. Aber mittlerweile scheint eine gewisse Tendenz in diese Richtung sichtbar. In den edleren Einrichtungsgeschäften werden monografieartige Printausgaben des Angebots der Hersteller präsentiert, die mit der spießigen Bezeichnung "Katalog" ob ihrer edlen Aufmachung kaum noch treffend beschrieben sind.
Da werden Wohnwelten inszeniert. USM zum Beispiel, Produzent und Design-Schmiede der chromumrahmten Büromöbel, legt unter dem Titel "Spaces" "Broschüren" auf, also: geheftete, gebundene Dokumente. Der Begriff wird auch online gebraucht, weil man dort, wie in den papierenen Ausgaben, "blättern" kann. Selbst Ikea hat nun, nachdem sich ja deren Stil selbst als eine Art weltweiter Geschmackskultur etabliert hat, als zusätzliche Inszenierung der Katalogangebote eine Lifestyle-Zeitschrift mit Reportagen, Hintergründen und schönen Bildern aufgelegt: "Live".
Was das alles bedeutet, weiß ich nicht. Manchmal muss man eben die Dinge nehmen wie sie sind, sich in den alten Lesesessel zurückziehen und Seiten umblättern statt pages anklicken.
Holger Rust,geboren 1946, ist Publizist und Professor für Soziologie in Hannover.