Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.
Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.

Gut, einige werden sich dieser Tage sicher freuen über Blümelein und sprießende Hormone, über den sanften Übergang von Novemberregen zu den ersten Krokussen und das alles ohne die störende Schneedecke dazwischen.

Nur werden das wohl hierzulande nicht alle so sehen.

Denn wer diesen "Winter" in den Alpen nördlich des Alpen-Hauptkamms unterwegs war, konnte sich wochenlang an strahlendem Braun ergötzen, das sich langsam in ein herrliches Grün verfärbte. Nur weiß war nirgends zu sehen. Das trifft freilich ganze Landstriche ins wirtschaftliche Mark, in denen sich gutmütig-bärige, resch-kernige Nachfahren von Holzknechten und Bergbauern darauf spezialisiert haben, durch die schillernde Illusion von Authentizität, gespielte Herzlichkeit und ritualisierter Schnapsdarreichung in unterschiedlichsten Farben und Formen, den Fremden - die hier "Gäst" genannt werden - das Geld aus der Tasche zu ziehen. Und das alles vor der Kulisse der verschneiten Bergwelt. Was aber, wenn kein Schnee da ist?

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Die österreichischen Alpen im Winter 2025: Wo einst Ski-Ausrüster, Après-Ski-Bars und Geschäfte mit original alpinen Trachten (hergestellt in Rumänien) um die internationale Kundschaft gebuhlt haben, herrscht jetzt gähnende Leere.

Gelangweilten Kindern zeigt man den im Heimatmuseum eingelagerten, allerletzten Schneeball. Auf der verlassenen Gasse prügeln sich zwei heruntergekommene Wirte, um einen ahnungslosen albanischen Touristen. Die Zeitungen schreiben über den neuesten Fall von "Guestnapping". Eine verzweifelte Form des Verbrechens, bei der Hoteliers ihre Gäste aus dem Vor- oder sogar Vorvorjahr mit Waffengewalt am Abreisen hindern. Zwar wird dieses Modell der "Geiselnahme mit Halbpension" von vielen Bürgermeistern als moralisch verwerflich erachtet, andererseits aber als wirtschaftlich sinnvoll und daher juristisch nur halbherzig verfolgt.

Neben einer durchgerosteten Pistenraupe versucht ein altgewordener Schneekanonenkönig vergeblich, die letzten verbliebenen Beherrscher der Schischaukeln von seinem neuesten, "suppaguadn" und "leischtungschtarkn" Produkt zu überzeugen. Doch angesichts von Durchschnittstemperaturen von 18 Grad plus und regelmäßigen Regenfällen schmilzt auch der Machbarkeits-glaube dahin.

Die Arbeitslosenquote erreicht in manchen Tälern 50 und mehr Prozent. Und so hausen in den verlassenen Lokalen ehemaliger Sportartikelketten beschäftigungslose Hüttenkellner, Liftmitarbeiter und Animateure für die bärige Gaudi und schauen aus traurigen Augen auf die immer grüner und grüner werdenden Berge.

Und plötzlich wird ein ehemaliger Skilehrer seine Stimme erheben und anklagend in den blauen Himmel, an dem kein Wölkchen zu sehen sein wird, schreien: "Waun i früha gsogt hob, da am Berg san vui Hasn, dann hob i sicha nit die Scheißviecher gmoant!" Und dann wird er in Tränen ausbrechen.

Mitten in den Bergen. Im Winter. Bei 23 Grad.