Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.
Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.

Im Konflikt in und rund um die Ukraine, gedeihen in der Publizistik nicht nur fragwürdige Wortspiele (zum Beispiel: "Krimi um die Krim" oder auch "Krim-Krimi"), sondern beide Seiten bemühen sich nach Kräften, sich als die "Guten" zu präsentieren. Edle Motive, hehre Beweggründe und idealistische Ziele, wohin man schaut. Vor allem sogenannte "Freiheitskämpfer" vermehren sich im Moment wie die Karnickel. Die einen verteidigen die Freiheit des ukrainischen Volkes, die anderen die Freiheit der russischen Mehr-oder-Minderheit auf der Krim. Dass die einen teilweise aus straff organisierten, bewaffneten, antisemitischen, ukrainischen Halbfaschisten von "Swoboda" und "rechtem Sektor" bestehen, die gerne mal von der deutschen NPD eingeladen werden und zu denen die FPÖ samt ihren Burschenschaftern im Vergleich wie ein Kindergeburtstag mit Zahnstocherfetisch wirkt, fällt in der Berichterstattung sogenannter "westlicher" Medien ebenso gerne unter den Tisch, wie in Russland die Operationen von diversen russischen Militäreinheiten (aber ohne Armeeabzeichen) auf der Krim als spontane Eruptionen der russischen Bevölkerungsteile dargestellt werden, die sich ja solche Uniformen irgendwo "gekauft" haben könnten. Und die Ausbildung samt Ausrüstung gibt es wahrscheinlich als Willkommensbonus als Download dazu. Naturelement, Herr Putin! (Den Namen bitte nicht französisch aussprechen.)

Aber auch im Inland wabern die Wolken der Nebelwerfer durch die Medien. So hat der ukrainische Botschafter vor zwei Wochen zu Gast in der Sendung "Im Zentrum", kurz nachdem er seine spontane Liebe zu den Demonstranten auf dem Maidan und seine unverbrüchliche Treue zur neuen ukrainischen Regierung entdeckt hatte, Österreich für seine großartigen Gesetze gegen Geldwäsche gelobt. Na, wenn uns jetzt noch Aserbaidschan für unsere vorbildliche Demokratie, Herr Erdogan für das maßvolle Auftreten unserer Polizei gegenüber Demonstranten und Smaug, der Drache, uns für unseren Realismus lobt, dann können wir uns zuprosten und sagen: "Na, bravo! Weit hamma’s bracht!"

Da frag ich mich, was jetzt noch alles kommt.

Vielleicht erklärt die russische Regierung schon in Bälde ihrer Bevölkerung, dass es "Beweise" gäbe, dass die neue ukrainische Regierung jeden Morgen zehn russische Kinder verspeise.

Worauf plötzlich im Westen Wissenschaftler auftauchen (im Zweifelsfall die hochintegeren Autoren jener "US-Studien", die auch schon nachgewiesen haben, dass Oralsex Zungenkrebs macht und die Erde nicht älter als 5000 Jahre sein kann), dass Erik der Rote nicht Amerika, sondern die Ukraine entdeckt habe, weswegen alle Ukrainer eigentlich Normannen seien und dem Vereinigten Königreich beitreten müssten.

Schließlich würde der Landesname ja schon mit "UK" beginnen.

Und spätestens da fällt mir ein, wie Emir Kusturica und sein Non Smoking Orchestra so schön in "The Devil in the Business Class" gesungen haben: "I’m a Victim of Propaganda War!"