Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache. Zuletzt ist "Österreichisch für Anfänger" im Verlag Amalthea erschienen, ein heiteres Lexikon, illustriert von Martin Czapka.

Robert Sedlaczek ist Autor zahlreicher Bücher über die Sprache. Zuletzt ist "Österreichisch für Anfänger" im Verlag Amalthea erschienen, ein heiteres Lexikon, illustriert von Martin Czapka.

Der Artenschutz ist in aller Munde. Seit 1966 werden Rote Listen gefährdeter Tier- und Pflanzenarten erstellt und spezielle Programme zielen auf den Schutz bedrohter Arten ab. Übergreifendes Ziel ist die Erhaltung der biologischen Vielfalt - Stichwort Biodiversität.

Aber wer kümmert sich um die gefährdeten Sprachen? Linguisten schätzen, dass in weniger als 80 Jahren die Hälfte der gegenwärtig rund 6000 existierenden Sprachen ausgestorben sein wird. Zur zeit stirbt etwa alle zehn Tage eine Sprache, jedes Jahr gehen durchschnittlich 35 Sprachen unter.

Diese Perspektive hat den Mathematiker und Sprachwissenschafter Ernst Kausen dazu bewogen, eine Momentaufnahme der weltweiten Sprachenlandschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts zu machen. Mit seinem zweibändigen Werk "Die Sprachfamilien der Welt" liefert der langjährige Professor an der Technischen Hochschule Mittelhessen einen Überblick über alle heute bekannten Sprachen und berücksichtigt dabei auch die ausgestorbenen und aussterbenden Sprachen. Mit diesem Mammutwerk, es umfasst rund 2300 Seiten, liegt nun eine systematische Gesamtdarstellung aller Sprachfamilien vor, die auch für sprachinteressierte Laien geeignet sein sollte.

Von jeder Sprache werden die Grundzüge des Lautsystems und der Grammatik dargestellt. In den meisten Fällen wird auch gezeigt, wie die Formen der Substantive und der Verben gebildet werden. Außerdem wird gezeigt, wie einzelne Sprachen miteinander verwandt sind und welche Ursprachen ihnen zugrundeliegen.

Wir gehören zur indogermanischen Sprachfamilie mit 220 Sprachen und weltweit über drei Milliarden Sprechern. Weitere 80 indogermanische Sprachen sind überliefert, aber inzwischen ausgestorben. Das Verbreitungsgebiet der indogermanischen Sprachen umfasst Europa - mit Ausnahme der Länder Ungarn, Finnland und Estland -, Teile Anatoliens und des Kaukasus sowie Südwest- und Südasien. Aus sprachlicher Sicht sind Europa und Asien nicht zu trennen, Ernst Kausen überschreibt daher das entsprechende Kapitel mit "Eurasien".

Zurück zum Absterben der Sprachen. Kausen widerlegt jene, die eine Reduzierung der sprachlichen Vielfalt als Vorteil ansehen, weil dann die Verständigung untereinander erleichtert wäre. Der biblische Mythos vom Turmbau zu Babel wirkt offensichtlich nach: Weil sich die Menschen in ihrer Hybris zu einem technologischen Großprojekt entschlossen hatten, wurden sie mit der babylonischen Sprachverwirrung bestraft.

Kleinere Sprachen haben oft keine schriftliche Literatur entwickelt. Wenn sie untergehen, geht auch ein kulturelles Erbe verloren, das in nur mündlich überlieferten Geschichten, Schöpfungsmythen und Ritualen erhalten ist. Der Verlust einer Sprache bedeutet fast immer auch das Ende einer kulturellen Tradition und damit der Identität dieser Ethnie.

Es wäre sinnvoll, möglichst viele der gefährdeten Sprachen wissenschaftlich zu untersuchen und so präzise wie möglich zu beschreiben. Dies würde das Wissen um die Funktionsweise von Sprachen bereichern. Aber leider - gerade in den Kulturnationen gelten derartige Disziplinen heute als "Orchideenfächer" und werden gnadenlos kaputtgespart.