"Sie öffnet ihr Haus für die sexuelle Begierde aller, führt offenkundig das Leben einer Hure, nimmt ständig an Gelagen wildfremder Männer teil (. . .) Sie hat den Gang einer Hure, schmückt und kleidet sich so, sucht sich ihre Begleitung so aus, dazu die feurigen Blicke und die losen Reden, die Umarmungen, Küsse, Strandfeste, Bootspartien und Gastmähler . . ."

So beschrieb der bekannte Politiker, Anwalt, Schriftsteller und Philosoph Cicero die Vergnügungen einer gewissen Clodia, die als Schwester eines Volkstribuns zur römischen Oberschicht gehörte. Der Ort der genannten Ausschweifungen war Baiae, eine Stadt am Golf von Neapel, die vor 2000 Jahren zur Sommerzeit Tummelplatz der Reichen und Mächtigen im Römischen Reich war. Gegründet wurde die Ansiedlung von den Griechen, die schon Jahrhunderte zuvor die Küsten Unteritaliens besiedelt hatten und einen Hafen für die einst bedeutende Stadt Cumae anlegten.

Unter der römischen Herrschaft wurde Baiae schließlich aufgrund seiner warmen Quellen und seines milden Klimas zu einem Bade- und Erholungsort der genusssüchtigen Oberschicht. Die Hänge über dem Golf waren übersät mit Villen, bei deren Ausstattung die Reichen einander zu übertreffen suchten. Der Grund, warum sich die vermögenden Römer auch im Urlaub zusammendrängten, ist nur zu verständlich: Die politischen und gesellschaftlichen Kontakte gingen auch in den heißen Sommermonaten weiter, in denen jeder, der es sich leisten konnte, aus dem Glutofen der stinkenden Hauptstadt floh.

Während es zu Zeiten der römischen Republik vor allem Politiker und einflussreiche Geschäftsleute waren, die sich einen derart exklusiven Sommerurlaub leisten konnten, kamen zur Zeit des Prinzipates neue Schichten sozialer Aufsteiger hinzu, die sich gemeinsam mit der alteingesessenen Oberschicht im Umkreis des Kaisers bewegten; von den Kaisern Caligula, Nero oder Hadrian ist es überliefert, dass sie sich zeitweise in Baiae aufhielten. Selbstverständlich wollten sie und ihre vermögenden Untertanen auch am Ferienort nicht auf den gewohnten Luxus verzichten. Männer wie der erfolgreiche Feldherr Lucullus, der für seine extravaganten Gastmähler berühmt war, ließen sich ihre Speisefische in eigens dafür angelegten Aquarien züchten.

Die antiken Belege der sexuellen Exzesse, die hier stattgefunden haben sollen, sind zahlreich, allerdings sollte man sie mit Vorsicht interpretieren: Viele römische Autoren wählten "Baiae" als Synonym für Ausschweifung und wollten so ihrer Leserschaft einen moralischen Spiegel vorhalten. Dass es dafür gute Gründe gab, darf freilich als sicher gelten - die alten Römer waren keine Kinder von Traurigkeit . . .

Mario Rausch, geb. 1970, studierte Klassische Archäologie und Alte Geschichte und lebt als Publizist in Klagenfurt und Wien.