Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. - © Daniel Novotny
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. - © Daniel Novotny

Der Erfolg von Donald Trump sei ein Symptom, das schrieb dieser Tage Amanda Taub auf Vox.com. Ein Symptom für das Auferstehen des "autoritären Charakters". Dieser wurde von Reich, Fromm und Adorno skizziert: ein Individuum, das nicht selbst autoritär ist, sondern sich nach autoritärer Führung sehnt. Dies war der Versuch, die Faszination des Faschismus, das Verhältnis zu einem Führer in psychologischer Hinsicht zu erklären.

Das Phänomen Trump mag Symptom einer Veränderung der amerikanischen Gesellschaft sein - aber dieses lässt sich mit alten Faschismustheorien nicht hinreichend verstehen. Damit bekommt man das Neue, das Spezifische solcher Figuren, nicht in den Blick.

Denn Trump ist ja nicht der Einzige. Da gab es Haider, Berlusconi, Putin. Trump reiht sich ein in eine Liste, die von Jahr zu Jahr länger wird. Welchem Bedürfnis entsprechen diese Figuren? Auf welches Bedürfnis sind sie die Antwort?

Denn es gibt verschiedene politische Bedürfnisse. Und Politiker unterscheiden sich nicht nur nach ihrer Programmatik und ihrer Persönlichkeit. Politiker unterscheiden sich auch danach, welches Bedürfnis sie bei ihren Anhängern befriedigen.

Lange Zeit war das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz vorherrschend. Die Politiker, die das befriedigen konnten, mussten möglichst anders sein als man selbst: fähiger, kompetenter, charismatischer. Wie Churchill, Brandt, Kreisky. Man wählte sie als schützende Überväter. Dann gab es die Nachfrage nach einem ganz anderen Typus: dem Hemdsärmeligen, der "einer von uns" ist. In diesem spiegelt man sich unmittelbar (oder glaubt es zumindest). Er erfüllt das Bedürfnis nach direkter Vertretung. Der könnte man auch sein.

Und nun gibt es einen dritten Typus: die Trumps dieser Welt. Wilhelm Reich beschrieb den autoritären Charakter als einen, der sich vor der Freiheit und allem, was fremd ist, fürchtet. Deshalb flüchtet er in das Vertraute, in die Konformität. Und diese soll ihm ausgerechnet einer garantieren, der selbst alles andere als konform agiert? Nein, dieser Typus befriedigt etwas ganz anderes. Denn eines trifft auf alle diese Typen zu: Sie sind alle Exzentriker. Also Leute, die schamlos, öffentlich und sichtbar genießen. Ein Genuss, der sich aus dem Brechen von Tabus, dem Überschreiten von Grenzen speist. Genau darin befriedigt sich die Sehnsucht für das faszinierte Publikum: Er lebt das "für sie" aus. Er agiert das "an deren Stelle" aus. Dazu braucht es keinen profanen Leistungsträger, weder politische Erfahrung, noch ein Programm. Dafür braucht es nur einen obszönen Narzissmus. Einen, der öffentlich vollzogen wird. Trump genießt stellvertretend für sein Publikum, das, was dieses nicht darf, was es sich nicht leisten kann. Er lebt "für sie" eine hemmungslose, narzisstische Allmachtsfantasie aus.

Dieser Typus zieht über die Eliten her, die den Kontakt zu "den" Leuten verloren haben. Er hingegen (es sind nur Männer) hat eine solche Verbindung - nicht eine zur Lebenswelt seiner Wähler (die teilt er nicht). Aber eine zu deren verdrängten Wünschen: er agiert diese aus. Die Faszination der Trumps dieser Welt ist nicht einfach die Faszination der Autorität - es ist vielmehr ein parasitäres Genießen: Man genießt sein Genießen, wenn er öffentlich rülpst.