Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. - © Daniel Novotny
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. - © Daniel Novotny

Unsere Gesellschaft ist eindeutig gespalten. Gespalten entlang der F-Frage: Wie hältst Du’s mit den Flüchtlingen - dafür oder dagegen? Damit ist der wesentliche politische Unterschied wieder aufgetaucht: jener zwischen Links und Rechts.

Der war uns schon ganz abhanden gekommen. Der Unterschied. Jetzt ist er wieder da. In neuer Eindeutigkeit: Rechts ist gegen Flüchtlinge - Links ist dafür. Auch wenn das oft quer zu Parteizugehörigkeiten verläuft. Das Links-Rechts-Schema hat sich neu formuliert.

Interessant ist, dass dieser Unterschied nicht einer der politischen Programme ist, sondern eher einer der unterschiedlichen Sicht: Links und Rechts interpretieren die Welt verschieden. Die einen sehen die Situation ganz negativ, die anderen nicht. Der wesentliche politische Unterschied ist heute also einer zwischen Optimismus und Pessimismus. Ein Unterschied nicht nur des Weltzugangs, sondern auch der Gemütslage.

Die Rechten, die die Situation nur negativ sehen, fühlen sich sowohl quantitativ als auch qualitativ bedroht. Quantitativ, weil sie in den vielen Flüchtlingen nur einen endlosen Strom sehen. Qualitativ fühlen sie sich bedroht von der Identität, der Kultur, der Religion der Flüchtlinge. Sie befürchten - ob in dieser Diktion oder einer anderen - eine Überfremdung. In jedem Fall birgt das Geschehen für sie ein apokalyptisches Moment, ein Gefühl von Untergang.

Die Linke, besser der linke Zugang zur Situation (immerhin vertritt diesen ja auch die CDU-Chefin) ist die positive, die optimistische Sicht, die in der aktuellen Situation ein lösbares Problem sieht. Sie sieht die Quantität in Relation zur europäischen Gesamtbevölkerung gelassen und qualitativ fühlt sie sich in ihrer Identität nicht in Frage gestellt.

Es ist dies übrigens das Wiederaufleben einer alten Unterscheidung: Auch die alten Rechten hatten ein pessimistisches, ein negatives Menschenbild, das eben der Ordnung und Autorität bedarf. Während die Linken ihrem positiven Menschenbild Fortschritt und Emanzipation zutrauten. Und trotzdem trifft die skizzierte Links-Rechts-Unterscheidung nur vordergründig zu. Denn eigentlich verhält es sich dabei genau umgekehrt.

Den Rechten in ganz Europa dient das Elend der Welt ja als Sprungbrett. Die Moslems stellen ihre Identität nicht so sehr in Frage, wie sie ihnen die Möglichkeit bieten, ihre Identität gerade in der Abgrenzung darzustellen. Die Situation bietet ihnen die unschätzbare Möglichkeit, selbst die Rolle des Aufhalters der Apokalypse, die Rolle des Retters des Abendlandes zu übernehmen. Ihr Pessimismus ist eigentlich ein verkappter Optimismus.

Eine Verkehrung, die auch für die Linke zutrifft. Sie sehen am Horizont eine Welt, wo Donald Trump in den USA, Marine Le Pen in Frankreich und H.C. Strache in Österreich regiert. Neben Orban und Putin. Also eine ganze Phalanx, die sich ihrer positiven Weltsicht verweigert. Sie sehen überall nur Untergang, ohne Rettung. So ist ihr Optimismus letztlich ein verkappter Pessimismus, in dem sich nur ihr Untergang, ihre Hilflosigkeit spiegelt. Die Linke kann sich nur retten, wenn sie sich von diesem verkappten Pessimismus befreit - wenn sie wieder Zugang zu ihrem wirklichen Optimismus findet. Auch wenn das wie ein Spruch aus einem Glückskeks klingt.