Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.
Severin Groebner ist Kabarettist, Autor und Gründungsmitglied der "Letzten Wiener Lesebühne". Sein neues Buch mit zahlreichen Kolumnen (unter anderem auch aus der "Wiener Zeitung") heißt "Lexikon der Nichtigkeiten" und ist im Satyr-Verlag (Berlin) erschienen.

Die einen sagen, man müsse jetzt die Ängste der Bevölkerung ernst nehmen. Da denk ich mir, das ist sicher richtig.

Die anderen sagen, man mache Rassisten nicht durch Streicheln und Verständnis zu Demokraten. Das ist, denk ich mir, auch richtig.

Wieder andere sagen, das sei eben die Rache der Abgehängten, das Resultat von 25 Jahren neoliberaler Politik, die Industriejobs vernichtet habe. Und auch das, denk ich mir, ist ebenso richtig.

Wieder andere sagen, das seien aber gar keine Arbeitslosen, die da so wählen, sondern normale Vorstadtspießer in den Speckgürteln um die großen Städte, die Angst hätten, jemand aus Syrien könnte einen Kratzer in den Lack ihres SUV machen. Und beim anderen auch. Und beim Smart der Frau Tochter. Die hätten keine Not, die hätten Paranoia. Ja, auch irgendwie richtig.

Doch da sagen wieder andere, das sei letztendlich Ausdruck einer enormen moralischen und geistigen Lücke, die in Hirnen und Herzen klaffe. Es fehle an Sinn, an Orientierung. Deshalb wählten die Menschen einfach jene, die ihnen Antworten geben - egal welche. Da ist was dran.

Aber, aber, sagen andere, das greife viel zu kurz. Es sei der Materialismus, der die Menschen verrohe. Ausschließlich konsumieren mache eben nicht glücklich. Und dann würden Sündenböcke gesucht. Durchaus richtig.

Das stimme doch nicht, widersprechen wieder andere, hier sei eine völkische Bewegung am Entstehen. Den Menschen, die so wählen, liege einzig und allein daran, sich besser zu fühlen als ihre ausländischen Nachbarn. Autoritäre Charaktere seien das. Chauvinisten obendrein. Na, falsch ist das auch nicht.

Dieser Hass, sind einige überzeugt, könne nur durch Liebe besiegt werden. Man müsse den Menschen Wärme und Wertschätzung entgegenbringen. Lasst uns mehr umarmen! Sicher. Immer richtig. Irgendwie.

Nein, nein, nein, grätscht nun einer dazwischen, es liege an diesen sozialen Netzwerken. Diesen Echoräumen, in denen man nur noch das sehe und lese, was man sich eh schon denke. Die digitale Monotonie, das Vereinsamen vor dem Bildschirm sei an allem schuld. Ja, ja, ja.

Würden alle Menschen, ist ein anderer überzeugt, mehr Yoga machen, sehe die Welt anders aus. Eh.

Und weniger Fleisch essen. Am besten gar keins. Naja.

Und mehr Sex, schließlich sehe man es diesen besorgten Bürgern doch an, dass es ihnen im Gegenteil schon lang keiner mehr ordentlich besorgt habe. Ok.

Auf diesem Niveau diskutiere man nicht mehr mit, sagt da einer.

Verklemmter Spießer, heißt ihn darauf ein anderer. Wir werden uns noch alle anschauen! Wer solche Freunde habe, brauche ja keine Feinde mehr. Das sei ja schlimmer als bei der Stasi. Ob man denn die DDR erlebt habe? Wenn ja, wo? In Oberösterreich? Die DDR wäre ein Paradies gewesen, gegen das, was in Palästina passiere. Und von Syrien würde wieder geschwiegen. Und was ist mit Russland? Und Nicaragua? Und Nauru? Wo liegt das?

Und dann hab ich den Computer abgeschaltet. Denn jetzt weiß ich endlich, dass ich einsame Nazis, die ängstlich, arm und abgehängt auf Facebook wohnen, mit veganem Joghurt umarmen muss, damit sie wieder beim Sex im SUV in heruntergekommen Industrievierteln Sinn empfinden. Richtig?