
Von dieser Kopftuchdebatte bin ich schon ganz paranoid. Unlängst hat in der U-Bahn ein Bursch "mit südländischem oder arabischem Aussehen" bloß Kaugummi gekaut, was mich eigentlich hätte entspannen müssen, weil ein Kaugummi im Mund ist doch ein Beweis für gelungene Integration, oder etwa nicht? Und sofort hab ich ihn als Sittenwächter verdächtigt, der einen islamistischen Anschlag auf meine rebellisch zerzausten Haare plant (auf meinen Out-of-Bed-Look) oder mich zumindest einschüchtern will mit seinem penetranten Schmatzen und indem er seine Blasen gefährlich nah platzen lässt. Daheim vorm Spiegel hab ich dann freilich was noch viel Schlimmeres in meiner Frisur entdeckt als einen pickigen Kaugummi: ein weißes Haar!
In meiner Panik hab ich es . . . autsch! Und mich nachher gefragt: Hast du das jetzt wirklich freiwillig getan? Hm. Jedenfalls hab ich nun wohl kein Recht mehr, mich über das sexistische Weltbild anderer lustig zu machen. ("Ha, ha, die glaubm, die Schamhoa würden aufm Schädel wochsn. Oba nur bei die Frauen.") Schließlich hab ich mir grad selber ein Schamhaar ausgerissen. Das aus meiner Kopfhaut gesprossen ist. Na ja, wenigstens hat mich keine frauenfeindliche Religion dazu gezwungen. Keine frauenfeindliche Religion? Das Patriarchat ist die misogynste Weltreligion von allen! Aber wurscht, mir das Haar auszurupfen war eh eindeutig ein emanzipatorischer Akt. Ein Freiheitskampf. Weil sonst hätte ich mich da draußen ja nimmer blicken lassen können. (Als Hutzelweiberl.)
Okay, wenn ich meine vielen Potenzmittelchen zusammenzähle (das Power-Shampoo mit Anti-Schlaff-Effekt, das magische, weil nicht fettende Haaröl . . .), wäre ein Hidschab sicher billiger gewesen. Besonders wenn ich die Haarkoloration mit 100-prozentiger Grauabdeckung auch noch dazurechne, die ich mir schleunigst kaufen sollte, bevor mir der nächste Verkäufer im Mobiltelefongeschäft bloß noch die Seniorenhandys zeigt. Ein selbstbestimmtes Leben mit "salonschönem Haar", das Volumen hat und natürlich glänzt (allerdings nicht so, dass Fettaugen darauf schwimmen), das kostet halt mehr als ein unterwürfiges. Hier bei uns verhüllen sich die Frauen nämlich nicht einfach mit einem Symbol ihrer angeblichen Minderwertigkeit, nein, sie . . . verstecken ihre Haare vollständig unter künstlichen Haarfarben wie "Wikingerblond" oder "Toffee Love".
He, war da nicht einmal was mit einer EU-Richtlinie? Keine Haarfärbemittel für unter 16-Jährige? Etwas halbherzig, oder? Weil vorm Kopftuch schützt die EU die Kinder nicht. Das dürfen bereits die Mäderln im Kindergarten aufsetzen, obwohl das bestimmt ebenfalls mit giftigen Chemikalien belastet sein kann und sie davon womöglich einen anaphylaktischen Schock kriegen.
Zugegeben, wie einem die computeroptimierten Models in der Shampoowerbung im TV ihre wallende Mähne ins G’sicht schleudern, das ist schon ein bissl anlassig. Für strenggläubige Machos muss das der reinste Hardcore-Porno sein. Und Friseursalons sind sowieso Peepshows. Andererseits hab ich nirgends die Schlagzeile gelesen: "Massenschlägerei vor Friseur - Afghanische und tschetschenische Jugendliche prügeln sich um die besten Stehplätze vorm Schaufenster." So geil macht das weibliche Haupthaar anscheinend auch wieder nicht. (Beruhigend.)