
Bestseller wird das jedenfalls keiner. No na. Wer sollte sich das Buch denn noch kaufen, wenn man es sich eh gratis downloaden kann? Als E-Book. Das ist nämlich ein Geschenk. An die gesamte Bevölkerung. Und erstaunlich großzügig. (182 Seiten!) Irgend so ein Zukunftsroman. Der in den nächsten fünf Jahren spielt. Der Entwurf einer idealen Gesellschaft. Und ich mag ja utopische Literatur.
"Zusammen." Klingt mehr nach Liebesschmalz. Oh, nach dem Punkt geht der Titel noch weiter: "Für unser Österreich." Aha. Eine Vernunftehe. Nix Liebe. Der Untertitel ist vielleicht etwas trocken: "Regierungsprogramm 2017 - 2022." Mein Lieblingsarbeitsloser, dem in seinem Spitalsbett (Herzinfarkt!) sowieso schön langsam langweilig geworden ist, hat nun aber wenigstens was zum Lesen. Und ist trotzdem nicht dankbar. ("Hättens ma kane Sockn zu Weihnochtn schenken kennan? Hätt i mehr davon.") Obwohl er im Buch sogar erwähnt wird. Okay, nicht namentlich. Statt sich geschmeichelt zu fühlen, ist er in Panik.
"Wer sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, der soll im Alter eine gute und nachhaltige finanzielle Versorgung erhalten." Sein ganzes Leben? Nein, Tschuldigung. Das bezieht sich offensichtlich nicht auf ihn. Der Bernard G. (sein richtiger und vollständiger Name ist auf einem weißen Plastikarmband vermerkt) hat ja bloß 33 Jahre davon gewerkelt. Mit 50 plus will ihn halt keiner mehr. (Hm. Und wie sollen die Leute vorm Sterben noch Zeit für einen Ruhestand finden, wenn sie ihr ganzes Leben reinhackeln sollen?) So, aber das ist jetzt seine persönliche Stelle. Auf Seite 143. Die mit dem "Arbeitslosengeld NEU". (NEU - wofür steht das Akronym? N-achhaltig, e-ffizient u-nd? Äh, und was? Und nix. Reicht doch das davor, oder?) Eine aggressive Gestaltung der Leistungshöhe ist geplant. Hoppala, eine de-gressive. (Der Bernard, dem man da grad erst zwei Stents gesetzt hatte, wäre vor Schreck fast aus der Bettruhe gefallen.)
"Des Buach is übahaupt ned gratis. Mi kostet’s mei Existenz. Die schoffn die Notstandshüfe ob." - "Na, na. Oabeitslose, Notstand, Mindestsicherung und Existenz werden nur ,harmonisiert‘." - "I werd Mindestsicherung beantragen müssen. Und glei drauf obdachlos sein. 500 Euro brauch i allein für die Miete. Und des is billig in Wien." - "Du, vagiss ned, vurher dei Vermögen zu veräußern." - "Gilt a Überziehungsrahmen als Vermögen?" - "Vermutlich schon. Weil du konnst ihn jo ausgebm." - "Hob i längst." - "Donn is es ka Vermögen mehr. Außerdem dürftest eh 4000 Euro von dei’m Ersparten behoitn." - "Und wenn i 1500 Euro Negativ-Erspartes aufm Konto hob? Überweisens ma des als Gutschrift?"
67.000 Notstandshilfebezieher in Wien. Sollten die alle ein Auto besitzen, gäbe es mit einem Schlag 67.000 freie Parkplätze (weil die Mindestgesicherten in spe ihr Kfz verkaufen müssten). Also tatsächlich eine positive Utopie. Die Wohnungsnot wird auch gelindert. Plötzlich jede Menge leere Wohnungen. Die Langzeitarbeitslosen lagern wir einfach in Massenquartiere am Stadtrand aus. Wo der Schlafplatz um wohlfeile 211 Euro und 12 Cent zu haben ist. Na ja, das ist der "Grundbetrag zur Deckung des Wohnbedarfs". (In der Mindestsicherung enthalten.) Die "soziale Teilhabe" gibt’s dafür umsonst. Die ist durch das Mehrbettzimmer garantiert. (Ach, schenk halt ich dem Bernard die warmen Socken.)