Eine Freundin hatte einen Hörsturz erlitten, der sie temporär nahezu ertauben ließ. Allerdings hörte sie zugleich auch noch ein höchst irritierendes Tinnitus-Geräusch im Inneren ihres Kopfes. Alle, denen sie davon erzählte, schauten betroffen und sagten nicht viel, denn alle wussten von anderen Beispielen im Freundes- und Bekanntenkreis, dass der Hörsinn dann verrückt zu spielen beginnt, wenn der Stress überhandnimmt.

Der Stress war in Form eines neu installierten Abteilungsleiters ohne besondere Führungsqualitäten in das Arbeitsleben meiner Freundin getreten. Das Problem als solches war nicht besonders originell. Der Abteilungsleiter war kein Meister der Feder, korrigierte aber die Texte der Freundin. Meine Lehrer nannten diesen Vorgang seinerzeit höhnisch Verschlimmbesserung. Was von weiter weg vielleicht sogar ein bisschen lustig sein mag, war für meine Freundin eine unerträgliche Kränkung und eine nicht hinnehmbare Zurücksetzung, denn eigentlich hätte sie die Abteilung leiten müssen.

Ich habe während meines gesamten Arbeitslebens nie einen Chef oder Vorgesetzten gehabt, der seinen Status mit mir als Statistin im Hintergrund darzustellen versuchte. Meine Chefs hatten diese Art der Mitarbeiter lähmenden Ich-Stützung offenbar nicht nötig. Das war und ist ein Glück für mich. Dennoch muss auch mein Verhältnis zu Arbeit, zu Auftraggebern oder schlicht zur Pflicht
irgendwie angespannt sein, denn seit ich denken kann, schlafe ich in der Nacht von Sonntag auf Montag schlecht. Es ist, als ob ich am Montag irgendeine Form von Schwierigkeit oder eine Widerwärtigkeit zu gewärtigen hätte, die mir schon in der Sonntagnacht im Magen liegt.

Bis ich W. kennenlernte, meinte ich, mein Sonntag-auf-Montag-Stress müsse mit der Art meiner Arbeit zusammenhängen. Schließlich konnte ich als Geistesarbeiterin ja nie sicher sein, dass mir am Montag wieder etwas einfiel. Sobald ich jedoch eine Vorstellung hatte, was ich zu Thema X oder zu Frage Y schreiben könnte, war ich wieder entspannt und schlief in der Nacht darauf meist ganz wunderbar. W. aber war Handwerker. Er konnte das, was er tat, ohne viel zu denken so gut, dass niemand (auch er selber nicht) im Geringsten daran zweifelte, dass er seine Aufgaben gut erledigen würde. Dennoch schläft auch er bereits sein ganzes Arbeitsleben lang von Sonntag auf Montag schlecht.

Seit ich das weiß, denke ich in diesen Nächten an W. Es tröstet mich, dass sich der geschickteste und verlässlichste von allen Handwerkern, die ich kenne, auch gerade von einer Seite auf die andere wälzt, nur weil am nächsten Tag Montag ist. Ich begegne dem Schrecken, der Montag heißt, aber in mir entsteht, seither gelassener. Nicht selten schlafe ich bei dem Gedanken auch wieder ein.