Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny
Isolde Charim ist Philosophin und Publizistin und arbeitet als wissenschaftliche Kuratorin am Kreisky Forum in Wien. Foto: Daniel Novotny

Noch ein Wort zur Causa Dönmez. Kommentatoren lieben es gemeinhin, mehr zu wissen. Oder solches Mehr-Wissen zumindest anzudeuten. Dieser Kommentar beruht auf keinerlei geheimem Wissen, das unter der Hand zirkuliert. Er kann keine Interna auffahren. Er kann sich keiner größeren Nähe zur Macht rühmen als jeder andere Leser auch. Er wird seinem Namen gerecht: aus sicherer Distanz. Es ist dies tatsächlich ein reiner Meinungskommentar.

Als solcher möchte er Zweifel anmelden an den hehren Intentionen, die zum Ausschluss von Efgani Dönmez aus dem ÖVP-Parlamentsklub geführt haben. "Sexistische, beleidigende Entgleisungen seien nicht akzeptabel" und hätten in der neuen ÖVP keinen Platz, konnte man lesen. So weit das Statement von Parteiobmann Kurz und Klubchef Wöginger. Da wurden hohe moralische Töne angeschlagen.

Aber es ging so schnell. Sonntag sonderte Dönmez seinen unsäglichen Tweet ab - den zu wiederholen allen erspart bleiben soll. Man kann ihn als bekannt voraussetzen. Und Montag wurde er bereits aus dem Parlamentsklub ausgeschlossen. Ging das so schnell, weil die ÖVP in ihrem feministischen und politisch korrekten Selbstverständnis so erschüttert war, dass Dönmez stante pede gefeuert werden musste? Die ÖVP-EU-Abgeordnete Claudia Schmidt etwa durfte ihr rassistisches Posting durch eine Entschuldigung aus der Welt schaffen. Der distanzierten Beobachterin kommt die Eile im Fall Dönmez merkwürdig vor. Ihr stellt sich die Frage: Ist diese nicht eher einem anderen Register geschuldet? Dieses andere Register könnte das der Partei als Gemeinschaft sein. Dönmez ist ein ehemaliger Grüner, der als Parteiloser ein Mandat der Liste Kurz innehatte. Man kann also davon ausgehen, dass er keine besondere Hausmacht in der Partei, ja nicht einmal eine besondere Verankerung im ÖVP-Klub hatte. So jemand, der nicht wirklich dazugehört, ist leicht auszuschließen.

Dönmez’ rasanter Ausschluss wirkte eher nach "fallen gelassen" als nach Empörung. Eher nach "Anlass genutzt" als nach Prinzipientreue.

Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, Partei für Dönmez zu ergreifen. In keinster Weise. Es geht nur darum, zu verstehen, wie solche Dinge vor sich gehen. Wir bewegen uns hier völlig im Bereich der Vermutungen - aber selbst aus solchen lassen sich erstaunliche Erkenntnisse gewinnen.

Und diese Erkenntnis lautet: In der Causa Dönmez zeigt sich, dass sich in der Politik Treulosigkeit nicht rentiert. In diesem knallharten keineswegs moralischen Metier, in dieser Machtarena bricht sich doch etwas Moralisches Bahn. Und zwar auf ganz pragmatischem Weg. Hier zeigt sich, dass sich Treue und Zusammenhalt lohnen. Man könnte dies fast eine List der Vernunft nennen, wie sich hier eine ethische Haltung auf unethischen Wegen durchsetzt.

Vielleicht ist die Causa Dönmez ein Sieg des Feminismus. In jedem Fall aber hat sie eine Lektion: Treulosigkeit rentiert sich in der Politik nicht immer. In Krisensituationen, wo man Unterstützung bräuchte, bekommt man diese nicht. Denn keiner liebt den Seitenwechsler.