
Man hört ja immer: Verlassen wir
das verminte Feld der Migrationsthematik. Das ist das Terrain der Populisten. Da sei nichts zu gewinnen. Gute Idee. Widmen wir uns
mal dem Budget. Zum Beispiel
dem italienischen.
Das war die Lektion dieser Woche: Populismus geht auch ganz ohne Ausländer. Da reicht auch die EU. Hauptsache, es findet sich jemand, dem man die vakante Feindposition zuschanzen kann. Dann lässt sich das auch wunderbar beim Budget durchspielen. Populismus erweist sich als eine nicht themenspezifische Technik zur politischen Verschärfung.
Da wird die Budgetvorlage zum "Haushalt des Volkes". Und die EU attackiere, so Matteo Salvini, "nicht einfach eine Regierung, sondern sie attackiert ein Volk". Die EU gegen das italienische Volk, lautet die Schlachtanordnung. Es ist immer dasselbe Spiel: Jedes Problem wird auf eine existenzielle Ebene gebracht, wo es um alles oder nichts geht. Und das
ist unverhandelbar - wie die Ehre
des italienischen Volkes. Immer begleitet von absoluten Sprachbildern (das Budget als "letzter Schutzwall für soziale Rechte") von klirrender Unversöhnlichkeit ("niemand wird auch nur einen Euro von diesem Budget abziehen") und von symbolischem Aktivismus (wie jener
italienische EU-Abgeordnete, der
auf die Unterlagen des Wirtschaftskommissars mit seiner "italienischen Schuhsohle" einhämmerte).
Man kann es nicht mehr hören - diesen ständigen hohen Ton. Diese permanente Hysterisierung der Öffentlichkeit. Erstaunlicherweise aber funktioniert es. Noch bei der x-ten Wiederholung. Es erreicht seine Adressaten - die Wähler. Und diese reagieren entzückt. Salvinis Zustimmungswerte schnellen in die Höhe.
Der Schaden aber, der ist groß. Denn dieser Populismus verhindert, die tatsächlichen Probleme der EU anzugehen. Etwa dass die EU-Budgetpolitik tatsächlich problematisch ist für verschuldete Länder - was man
ja am Beispiel Griechenlands gesehen hat. Auch dass es immer noch
möglich ist, die EU als "Die dort",
als Außen zu stigmatisieren, ist ein großes Problem des europäischen Projekts. Keine Frage, dass es da Handlungsbedarf gibt. Aber im existenziellen Feld, auf das der Populismus sie verlagert, werden
die Probleme nicht gelöst, sondern noch gesteigert.
Ob das Waffenklirren, das Markieren des starken Mannes dabei nur taktisch ist - eine ungebrochene Fortsetzung des Wahlkampfmodus beziehungsweise eine Vorwegnahme der kommenden EU-Wahlen - das ist dabei fast egal. Denn die Unversöhnlichkeit, die hier in die politische Auseinandersetzung eingeführt wird, setzt Säbelrasseln gegen das Erarbeiten von politischen Spielräumen.
Und dieser polternde männliche Heroismus, der hier aufgefahren wird, ist destruktiv. Er desavouiert die Politik des Verhandelns - eine Politik mit weniger Sex-Appeal, aber zentral für demokratische Prozesse.
Folgen die Leute aber einmal dieser theatralisch ergiebigen, aber politisch desaströsen Inszenierung, dieser Verlagerung des politischen Spielfeldes auf die Ebene des Existenziellen. Erfährt ihre Wut solch eine ungehemmte Entladung, ist dieser Geist einmal aus der Flasche, dann muss man verstehen: Keiner weiß, wie man ihn dahin zurückbringt. Den Geist. In die Flasche.