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Mit dem Skateboard ins Leben

Von Alexander U. Mathé

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Er surft, rappt und skatet: Einem Venezolaner ohne Beine gelang die Flucht nach Kolumbien.


Mit 13 Jahren hegte Alfonso Mendoza Suizidgedanken. Die anderen Kinder seiner Klasse hatten sich stets einen Spaß daraus gemacht, ihn in Mistkübel zu stecken oder auf dem Schulklo einzusperren. Das war relativ einfach für sie. Denn Alfonso kam ohne Beine zur Welt. Deshalb gaben ihn seine Eltern nach der Geburt auch weg. Er wuchs bei seiner Großmutter in Maracaibo, Venezuela, auf. Ihr musste er schwören, dass er sich niemals für minderwertig halten würde und immer für seine Träume kämpfen würde. Als Alfonso neun Jahre alt war, starb sie. "Da ist etwas in mir zerrissen", erzählt Alfonso. "Meine Oma war der einzige Mensch, der sich je um mich gekümmert hat." Ein Onkel nahm ihn bei sich auf, doch es sei nicht dasselbe gewesen. "Jahrelang bin ich nicht aus dem Haus gegangen. Ich habe mich nur beklagt und gefragt: ,Gott, warum ich und nicht mein Bruder oder ein Freund?‘", sagte er in einem Interview mit der kolumbianischen Zeitung "El Tiempo". Aus dem Tal der Finsternis hat er es inzwischen herausgeschafft - auf einem Skateboard. Ein Freund half ihm, sich damit fortzubewegen. Das veränderte sein Leben. Er ging wieder außer Haus und unter Leute, nahm sein Schicksal in die eigenen Hände. Er verliebte sich, und nachdem seine Freundin schwanger wurde, beschloss Alfonso, mit ihr aus Venezuela zu flüchten. Die prekäre wirtschaftliche Lage, der Mangel an Medikamenten und die Lebensmittelknappheit ließen in der Heimat eine rosige Zukunft für seine Familie unwahrscheinlich scheinen. Vor neun Monaten schafften sie es ins Nachbarland Kolumbien, wo auch Tochter Auralys in Barranquilla zur Welt kam. Alfonso versuchte sich zuerst als Losverkäufer, merkte aber, dass er mit einer anderen Begabung mehr Geld verdienen kann. Der 25-Jährige singt heute als Rapper in Bussen und auf den Straßen für ein kleines Trinkgeld. Daneben stellt er Videos von sich auf YouTube, wie er mit dem Rumpf auf dem Skateboard über Hindernisse springt oder Tricks im Skatepark durchführt. Außerdem gibt er Motivationsseminare. "Grenzen existieren nur im Kopf", erklärt er dort den Teilnehmern, wofür er selbst die beste Illustration ist. Seine Freundin ist mehr als zufrieden. "Es fehlt uns an nichts und Alfonso ist sicher ein besserer Vater als viele andere", sagt sie und ergänzt: "Du brauchst keine Beine, um ein vollständiger Mensch zu sein." Alfonso hat inzwischen eine neue Leidenschaft entdeckt: Er surft für sein Leben gern. Seine finsteren Tage liegen in weiter Ferne; auch mit seinem Schicksal hadert er schon lange nicht mehr. "Ich habe zwar keine Beine, dafür aber viele Talente: Sport, Musik und die Gabe, andere zu motivieren", sagt Alfonso. "Gott hat es eigentlich perfekt gemacht."