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Lettische Meisterstrategin

Von Alexander U. Mathé

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Junges Schachgenie im Einsatz gegen Korruption und Geldwäsche.


Als Dana Reizniece-Ozola 34 Jahre alt war, schaffte sie etwas, das noch keiner ihrer Vorgänger geschafft hatte. Die damalige lettische Wirtschaftsministerin liberalisierte 2016 den Gasmarkt ihres Landes. Der war bis dahin fest im Griff der russischen Gazprom gewesen, ohne dass Lettland Einfluss auf den Preis gehabt hätte. Dass es damals starke Interessen gab, den Status quo aufrechtzuerhalten, ist klar. Dass Reizniece-Ozola das System trotzdem aufbrechen konnte, wird nicht zuletzt auch ihrem strategischen Denken zu verdanken sein. Denn bevor die Mutter von vier Kindern Ministerin wurde, war sie schon Schachgroßmeisterin der Frauen. Diese Passion hat sich das Mitglied der Partei der Grünen und Bauern auch als Politikerin erhalten und besiegte 2016 bei der Schacholympiade die amtierende Weltmeisterin aus China. Inzwischen ist Reizniece-Ozola Finanzministerin und hat eine weitere Mammutaufgabe in Arbeit: der Geldwäsche und Bankenkorruption in ihrem Land das Handwerk zu legen. Schon seit Jahren ist es ein offenes Geheimnis, dass lettische Geldinstitute regen Geldzufluss aus ehemaligen Sowjetrepubliken erhalten und das Geld dann über Strohfirmen in die EU fließen lassen. Seit Reizniece-Ozola das Finanzressort im Jahr 2016 übernommen hat, geht es den obskuren Geschäften an den Kragen. Der Gouverneur der Zentralbank wurde wegen Korruptionsverdachts verhaftet. Die Trasta Komercbanka wurde geschlossen, weil sie die neuen Geldwäschegesetze nicht einhielt. Ebenso wurde eine der größten Banken, die ABLV, dichtgemacht, weil sie mit ex-sowjetischen Oligarchen und sogar mit dem nordkoreanischen Waffenprogramm in Verbindung gebracht wurde. Im April dieses Jahres verabschiedete Lettland ein Gesetz, das es Kreditinstituten untersagt, Strohfirmen abzuwickeln. Reizniece-Ozolas Bilanz lässt sich durchaus sehen: Seit ihrem Amtsantritt ist der Anteil ausländischer Einlagen in lettischen Banken von über 40 Prozent auf 20 Prozent gesunken. Naturgemäß ist nicht jeder über diesen Erfolg erfreut. Vor den Parlamentswahlen im Oktober wurde die 36-Jährige Ziel - unhaltbarer, wie sich herausstellen sollte - Vorwürfe, die ihr Verbindungen zur Mafia unterstellten. Dass sie als Marionette der USA bezeichnet wurde, lässt vermuten, aus welcher Ecke die Angriffe kamen. Die Kampagne missglückte und Reizniece-Ozola wurde erneut gewählt. Weniger gut ging es allerdings ihrer Partei und der Regierungskoalition, die bei den Parlamentswahlen herbe Verluste einsteckten. Die neue Regierungsbildung gestaltet sich schwierig. Doch viele Experten hoffen, dass die Grünen es in eine Koalition schaffen, damit die Meisterstrategin ihr Werk auch in Zukunft fortführen kann.