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Tafelrunde mit politischer Sprengkraft

Von Martyna Czarnowska

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Die Gespräche am Runden Tisch waren der Beginn der demokratischen Umwälzungen in Polen - aber auch der Risse in der Opposition.


Rund sollte der Tisch sein. So konnten Streitigkeiten über die Sitzordnung vermieden werden. In nur zwanzig Tagen haben 15 bis 20 Handwerker das Möbelstück aus 14 Segmenten zusammengezimmert und mit Eichenfurnier belegt. Für die schnelle Ausführung sollen sie sogar eine Prämie erhalten haben. Der Tisch und die Gespräche um ihn herum gingen in die Geschichte ein - und ihre Bewertung spielt bis heute in politische Debatten hinein.

Am 6. Februar 1989 begannen in Warschau, im jetzigen Präsidentenpalast, die Beratungen am Runden Tisch. Die Gespräche dauerten bis 5. April und sie sollten den Weg für die erste halbfreie Wahl in Polen nach dem Zweiten Weltkrieg ebnen. Mehr als das: Sie sollten die sozialistische Ordnung aufbrechen und Prinzipien der parlamentarischen Demokratie, des Pluralismus einführen. Politischen und gesellschaftlichen Reformen sollten wirtschaftliche folgen.

Knapp 60 Menschen nahmen zur Eröffnung der Verhandlungen am Tisch Platz: Repräsentanten des sozialistischen Regimes und der Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) sowie der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc und anderer oppositioneller Gruppierungen, die zuvor jahrelang im Untergrund arbeiten mussten. In mehreren Untergruppen beschäftigten sie sich dann mit den geplanten Reformen.

Zu den Teilnehmern gehörten drei spätere Staatspräsidenten und fünf künftige Premierminister. Einer der bekanntesten Oppositionellen war schon damals Lech Walesa, einer der Anführer der Streiks in der Danziger Schiffswerft ein paar Jahre zuvor. Weniger prominent war da ein Mann, der bis heute die polnische Politik mitprägt: Jaroslaw Kaczynski. Mit seinem Zwillingsbruder Lech Kaczynski war er an den Beratungen beteiligt, und als Walesa Staatschef wurde, waren die beiden eine Zeit lang dessen enge Mitarbeiter.

Doch die Basis für die politischen Umwälzungen musste Anfang 1989 erst noch gelegt werden - es waren die Ergebnisse der Verhandlungen am Runden Tisch. Vereinbart wurden größere Kompetenzen für das Verfassungsgericht, die Legalisierung mehrerer Gewerkschaften, Zugang der Opposition zu Medien, die Schaffung des Präsidentenamtes. Einer der wichtigsten Kompromisse aber war die halbfreie Wahl im Juni 1989 - halb, weil im Sejm, im polnischen Parlament, zwei Drittel der Sitze für die Arbeiterpartei PZPR und deren Partner reserviert bleiben sollten. Von den frei zu vergebenden Mandaten konnte die Solidarnosc alle für sich verbuchen.

Für die Oppositionellen begann damit der Aufstieg in teils höchste Staatsämter. Gleichzeitig zeigten sich unter ihnen erste politische Risse, die sich später zu Gräben weiteten. Am Runden Tisch war eine Art dicker Strich vereinbart worden, der zunächst einmal unter die Vergangenheit gesetzt werden sollte. Jaroslaw Kaczynski gefiel dies wenig. Jahrelang konzentrierte sich seine Partei PiS (Recht und Gerechtigkeit) auf die Abrechnung mit Mitarbeitern des früheren Regimes. Nun ist PiS zum zweiten Mal an der Regierungsmacht und sorgt mit Reformen, unter anderem im Justizbereich, auch für viel Kritik. Für den Vorsitzenden Kaczynski aber scheint das als Reparatur vermeintlicher Fehler am Runden Tisch nötig zu sein.