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Abrissbirne mit Bumerang

Von Christina Böck

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Christina Böck ist "Feuilleton"-Ressortleiterin.
© Wiener Zeitung / Thomas Seifert

Es war ausgerechnet ein Österreicher, der jene Architektur in Südkalifornien geschaffen hat, die als typisch für die Region angesehen wird. Flache Dächer, lichtdurchflutete Glasfassaden, organisches Einfügen in die Natur: Das trifft auf die modernistischen Häuser von Richard Neutra zu. Er wurde 1892 in Wien geboren, musste aber vor den Nazis in die USA fliehen. In San Francisco hat Neutra nur vier Häuser gebaut, für 1,7 Millionen Dollar hat Ross Johnston eines davon (mit 120 Quadratmetern) gekauft. Er bekam die Bewilligung, einen kleinen Umbau zu machen. Er interpretierte das recht frei mit der Vervierfachung der Quadratmeter. Dafür musste natürlich das lästige historische Gebäude ganz weg. Die Härte der Behörden von San Francisco überrascht: Johnston muss das Haus aus dem Jahr 1936 mit denselben Materialien und Methoden als exakte Kopie wieder aufbauen.

Dass ausgerechnet die oft als kulturlos und nicht besonders geschichtsbewusst verunglimpften USA hier ein drastisches Vorbild für den Umgang mit historischen oder denkmalgeschützten Gebäuden liefern, hätte sich wohl kaum jemand erwartet. Vielleicht kann sich die Stadt Wien daran inspirieren. Zuletzt wurden Demolierungen von historischen Gebäuden zum Volkssport unter Investoren, das Schicksal des Gasthauses Sperl erzürnt Freunde einer bewahrenden Stadtplanung immer noch. Würde die Stadt wie in San Francisco reagieren, dürften es sich die Abwracker vielleicht in Zukunft zweimal überlegen.