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Schrecken ohne Ende

Von Siobhán Geets

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Die EU sollte sich hüten, den Briten eine langfristige Brexit-Verschiebung anzubieten. London hat die Bedingungen dafür nicht erfüllt.


Ist Theresa May die schlechteste Premierministerin aller Zeiten? An Konkurrenten für diese Negativauszeichnung mangelt es wahrlich nicht. Da wäre etwa Neville ("Man of Munich") Chamberlain, in Erinnerung geblieben durch seine Appeasement-Politik gegenüber den Nazis. Bei Anthony Eden denkt man sofort an die Suez-Krise, bei Tony Blair an den desaströsen Irak-Krieg, bei David Cameron an das fatale Brexit-Referendum. Und bei Theresa May? Am Mittwoch sollen die verbleibenden EU-Mitgliedstaaten darüber entscheiden, ob die Tory-Chefin als "Miss No-Deal" in die Geschichte eingeht. Lehnen sie ihren Wunsch nach einer weiteren Brexit-Verschiebung ab, schlittert das Vereinigte Königreich am Freitag ohne Abkommen aus der EU. Es ist ungerecht, dass die Mitgliedstaaten, die nie einen Brexit wollten, diese folgenschwere Entscheidung treffen müssen. Bei der letzten Verschiebung haben sie klargemacht, dass London für einen weiteren Aufschub sagen muss, wie es weitergehen soll. Brexit-Chefverhandler Michel Barnier wollte dabei bleiben. Doch die Mitgliedstaaten werden wohl nicht auf den Franzosen hören - und London eine Vertagung bis Dezember anbieten.

Dabei ist völlig unklar, wie diese Zeit überhaupt genutzt werden soll. Die britische Regierung hat keinen Plan. Ein Verbleib in der Zollunion, wie sich das die Labour-Opposition wünscht, kommt für die Tories nicht in Frage - sie wollen ihre Handelspolitik nach dem Brexit wieder alleine bestimmen. Dass die größenwahnsinnigen Fantasien der Brexiteers im Widerspruch zu einem drohenden Zerfall des Vereinigten Königreichs stehen, haben die Hardliner des rechten Tory-Flügels immer noch nicht verstanden. Bei einem No-Deal-Brexit könnten sich sowohl Schottland als auch Nordirland vom Königreich trennen - übrig bliebe ein auf England und Wales reduziertes "Little Britain". May hat das erkannt und will einen ungeordneten Austritt verhindern. Auch die EU will einen harten Brexit mit seinen negativen Folgen nicht verantworten. Die Alternative ist allerdings riskant: Geben die verbleibenden Mitgliedstaaten London noch einmal nach, könnte Großbritannien an den Europawahlen teilnehmen. Die Brexit-Hardliner haben bereits angekündigt, sich dann so daneben wie möglich zu benehmen und die EU zu sabotieren.

Ganz abgesehen von der berechtigten Frage, wie oft die anderen Staatschefs May noch entgegenkommen sollen, ist auch schwer vorstellbar, wie eine Lösung aussehen könnte. Eine längerfristige Verschiebung des Brexit ergibt nur Sinn, wenn London ein zweites Referendum zulässt oder bald Neuwahlen ausruft. Beides ist so gut wie ausgeschlossen. Und für alle anderen Optionen reicht die Zeit bis zum 22. Mai.

Die EU sollte sich hüten, den Brexit darüber hinaus zu verschieben. Hoffnungsvolle Spitzenpolitiker wie Ratspräsident Donald Tusk glauben zwar immer noch daran, dass sich das Vereinigte Königreich bei einer langen Verschiebung für einen Verbleib in der EU entscheidet. Doch die Hoffnung ist umsonst, ohne Referendum wird London den Brexit nicht einfach zurücknehmen.

Bedingungen zu stellen, ohne auf ihre Erfüllung zu bestehen, ist ein falsches Signal, das den konservativen Hardlinern recht gibt. Sie haben darauf gewettet, dass die EU schon noch einknicken wird. Brüssel darf nicht vergessen, dass die wahren Verhandlungen mit London noch bevorstehen. May wird dann wohl weg sein. Es ist gut möglich, dass die EU mit einem Brexiteer wie Boris Johnson über die künftigen Beziehungen verhandeln muss. Für Brüssel würde der Albtraum damit erst richtig losgehen.