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Die geliehene Macht von Afrikas Langzeitherrschern

Von Klaus Huhold

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Der Sudan zeigt: Wenn Proteste eine gewisse Dynamik erhalten, sind auch die mächtigsten Männer ihres Postens nicht mehr sicher.


So unbesiegbar wirkte Omar al-Bashir. Seine Reden hielt Sudans gestürzter Präsident gerne mit einem Stock in der Hand, den er immer wieder in die Höhe hob. So winkte er seinen Anhängern zu, zugleich wirkte diese Geste wie eine Drohgebärde. Denn der erhobene Stock konnte auch schnell wieder zu Boden sausen, der Präsident konnte mit ihm also jederzeit zuschlagen.

Zuschlagen, das wollten Bashir und seine engsten Vertrauten offenbar auch, als Ende vergangenen Jahres die ersten Proteste gegen das Regime ausbrachen. Immer wieder hatte Bashir, seitdem er mit einem Putsch 1989 die Macht an sich gerissen hatte, diese Taktik angewandt, und immer wieder hat sie funktioniert. Auf Demonstranten wurde scharf geschossen, womit jeder Aufstand im Keim erstickt wurde.

Doch diesmal kam es anders: Diesmal hat die Gewalt von Bashirs Apparat den Zorn der Bürger nur noch mehr angefacht. In den Sozialen Medien kursierten Videos von prügelnden Sicherheitskräften, Begräbnisse von getöteten Demonstranten entwickelten sich zu neuen Protestzügen. Was als sozialer Aufstand gegen die Erhöhung der Brotpreise begann, wurde so zu einer offenen Revolte gegen das Regime.

Diese hätte freilich nicht zum Sturz von Bashir geführt, hätten sich nicht Teile des Sicherheitsapparates gegen den 75-Jährigen gestellt. Erneut hat es damit einen Langzeitpräsidenten in Afrika erwischt. Erst vergangene Woche musste in Algerien der 82-jährige Abdelaziz Boutefklika nach 20 Jahren an der Macht den Rücktritt einreichen, ebenfalls nach landesweiten Massenprotesten.

Sieg über die Angst

Es ist einer der großen Widersprüche Afrikas: Auf dem Kontinent mit der jüngsten Bevölkerung gibt es viele alte Langzeitstaatschefs - die sich auch gerne durch Verfassungsänderungen oder sehr zweifelhafte Wahlen ihre Amtszeiten verlängern. Paul Biya (86) wurde 1975 Premier Kameruns, seit 1982 ist er Präsident. Yoweri Museveni (75) ist seit 33 Jahren Staatschef von Uganda, die Liste ließe sich noch um einige Beispiele fortsetzen.

Die einzelnen Staaten lassen sich zwar nur sehr bedingt miteinander vergleichen. Doch fast alle afrikanischen Langzeitherrscher sind immer wieder mit Protesten konfrontiert. Die Aufstände, die zu Veränderungen führen, haben eine ähnliche Dynamik: Eine junge Bevölkerung sieht sich von den alten Herrschern ihrer Zukunft beraubt. Diese Jugend ist, etwa über Soziale Medien, sehr gut vernetzt. Und wenn einmal die Wut über die Lebensumstände und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft über die Angst vor der Repression siegen, dann erhalten die Proteste einen enormen Schub. Dann zerbröckelt die Einheit des Regimes, und es zeigt sich für die Langzeitstaatschefs, dass ihre Macht nur geliehen ist. So war es im Sudan, in Algerien oder auch in Burkina Faso, wo 2014 Präsident Blaise Compaore nach 27 Jahren an der Macht gestürzt wurde.

Allerdings: Der Abgang eines Staatschefs bedeutet noch lange nicht, dass sich die Machtverhältnisse grundlegend ändern. Das hat das Beispiel Ägypten gezeigt, wo trotz des Sturzes des Militärs Hosni Mubarak die Armee wieder die Zügeln in der Hand hält. Das gilt auch für den Sudan: Dort wird sich erst weisen, ob die Proteste der Beginn von Reformen sind. Oder ob das autoritär-islamistische Regime die Herrschaft behält und sich nur das Gesicht an der Spitze ändert.