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Angriffe auf Tanker: Niemandem ist zu trauen

Von Klaus Huhold

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Der Iran und die USA machen sich gegenseitig für die Angriffe auf Tanker in der Straße von Hormuz verantwortlich.


Teheran/Wien. Die Lüge und die Täuschung sind feste Bestandteile der Politik. Das war schon in der Antike so, in der der Philosoph Platon die "edle Täuschung" zum Schutze des Staats für zulässig erklärte, das zeigt sich heute in Regionalwahlkämpfen genauso wie in der globalen Politik. Zurück bleiben verwirrte Bürger, die nicht mehr wissen, wem sie glauben sollen, oder im schlimmsten Falle das Spiel der Täuschung mit ihrem Leben bezahlen müssen - wenn dieses nämlich zu einem Krieg führt.

Nachdem es diese Woche in der Straße von Hormuz zu mutmaßlichen Angriffen auf zwei Tankern kam, ist im Nahen Osten ein brandgefährliches Schauspiel der Täuschung im vollen Gange. Kaum gingen die Bilder des brennenden Öltankers "Front Altair" um die Welt, kaum war klar, dass auch das mit Methanol beladene Schiff "Kokuka Courageous" schwer beschädigt war, stellte sich die Frage: Wer war der Täter? Schuldzuweisungen wurden schnell ausgesprochen, allen voran von den USA und dem Iran. Doch glaubhaft ist in diesem Konflikt niemand. Denn es gibt niemand Neutralen, aber unterschiedliche Akteure, die gegeneinander große Feindschaft hegen.

Erinnerungen an den Irak-Krieg werden wach

Für die USA war jedenfalls sofort klar, dass der Iran hinter den Attacken steckt. Teheran wies das sofort zurück und verbreitete wiederum seinerseits eine Version, wonach die USA und/oder ihre Verbündeten die Attacke initiiert haben.

Auf alle Fälle war auffällig, wie schnell die USA den Iran als Täter ausmachten. Schon am Abend nach der Attacke präsentierten sie den Schuldigen. Die Beweise: Geheimdienstliche Erkenntnisse und ein Video, das zeigen soll, wie sich ein Boot der iranischen Revolutionsgarden einem der Tanker nähert und einen nicht detonierten Sprengsatz entfernt.

Die Glaubwürdigkeit der USA wird in solchen Fällen aber durch die Gespenster der Vergangenheit geschwächt. Denn die Geschichte erinnert an die irakischen Massenvernichtungswaffen, mit denen der Einmarsch im Irak gerechtfertigt wurde, die es aber nie gegeben hat. Schon im Mai wurden vier Tanker in der Straße von Hormuz angegriffen (die Schäden waren damals geringer), auch hier machten die USA den Iran schnell verantwortlich, auch hier sind die Beweise eher dürftig als eindeutig.

Hinzu kommt: Während sich die USA unter Barack Obama noch dem Iran annäherten und sogar ein Atomabkommen mit Teheran abschlossen, hat Donald Trump das Mullah-Regime wieder zum eindeutigen Feind erklärt. Trump pflegt stattdessen ganz enge Beziehungen zu Israels Premier Benjamin Netanjahu. Israel sieht den Iran, der Israel nicht anerkennt, als größte Bedrohung an.

Und vor allem steht Trump ganz unverhohlen an der Seite Saudi-Arabiens. Mit Riad schloss er gleich bei seinem Amtsantritt milliardenschwere Deals für die US-Rüstungsindustrie ab.

Saudi-Arabien und der Iran kämpfen um die Vorherrschaft in der Region. Das zeigt sich in Syrien, wo der Iran hinter Diktator Bashar al-Assad steht und Saudi-Arabien lange Zeit Aufständische unterstützte, das zeigt sich im Jemen, wo Saudi-Arabien die dem Iran nahestehenden Houthi-Rebellen bekämpft. Was dem einen schadet, nützt dem anderen. Deshalb war es im Sinn von Prinz Mohammed bin Salman, den starken Mann Saudi-Arabiens, dass Trump das Atomabkommen mit dem Iran aufkündigte.

Manches spricht für eine iranische Täterschaft

Darauf spielt der Iran auch an, wenn er den USA nun "Sabotagediplomatie" vorwirft. Teheran behauptet, die Attacke auf die Schiffe sei eine Operation unter falscher Flagge gewesen und deutet an, dass die USA oder einer ihrer Verbündeten dem Iran etwas in die Schuhe schieben wollen.

Teheran markiert den Unschuldigen, präsentiert von einem der Öltanker gerettete Matrosen im TV. Doch es gibt auch Gründe anzunehmen, dass der Iran tatsächlich hinter den Angriffen steht. Teheran würde so eine Botschaft senden, dass es dazu fähig ist, den internationalen Ölhandel, für den die Straße von Hormuz eine Lebensader darstellt, empfindlich zu stören. Zudem kursiert die Theorie, wonach die Angriffe die Handschrift der Hardliner innerhalb des Regimes tragen, die mit dem Scheitern des Atomabkommens eine härtere Gangart gegenüber den USA fordern.

Die verschiedenen Versionen zu den Attacken können also stimmen - oder auch nicht. Klar ist aber: Die Lage wird bedrohlicher. Die Internationale Energieagentur warnte am Freitag, die Angriffe auf der Öl-Transportroute seien für die Energiemärkte Anlass zu großer Sorge, der Ölpreis war auch gleich nach den Angriffen gestiegen. Vor allem aber steigt die Angst vor der nächsten militärischen Konfrontation. US-Präsident Trump ist unberechenbar und sein Nationaler Sicherheitsberater John Bolton gilt als Falke und einer der Architekten des Irakkrieges. Auch Prinz Salman kennt keine Skrupel, wie der saudische Waffengang im Jemen beweist. Der Iran ist, etwa in Syrien, ebenfalls kriegserprobt, und die Hardliner bekommen dort offenbar immer mehr Oberwasser. Das ist eine beunruhigende Gemengelage.

Alle Akteure sagen zwar, sie wollen keinen Krieg. Doch sie gehen mit geladener Pistole immer bedrohlicher aufeinander zu.