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Das Wiener Ergebnis ist nicht so übel für die SPÖ

Von Alexander U. Mathé

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Das Wahlergebnis der SPÖ in Wien ist eigentlich gar nicht so schlecht. Gut, es ist ein historischer Tiefstand, und Analysten und Medien sind sich einig, dass die SPÖ Wien nun grobe Probleme hat. Doch hinter diesem trüben Schleier liegt verstecktes Potenzial. Denn die Wiener SPÖ hat im Gegensatz zu den anderen Parteien so gut wie keinen Wahlkampf geführt.

ÖVP, FPÖ und Neos wurden nicht müde, die SPÖ mit Vorwürfen zu überhäufen - von Missständen beim KH Nord über Maulkorb- und Leinenpflicht für Listenhunde bis zum Heumarkt-Projekt. Die Grünen wiederum rührten für ihre Partei die Werbetrommel. Die Wiener SPÖ verhielt sich hingegen auffällig unauffällig. Rein von den Aussendungen der Roten her wäre man kaum auf die Idee gekommen, dass sich Österreich im Wahlkampffieber befand. Von dem her hätte der Verlust schlimmer sein können als sechs bis sieben Prozentpunkte Einbuße bei Behauptung des ersten Platzes in Wien. Das ist so, als ließe sich ein Boxer im Ring eine Rechte nach der anderen verpassen, ohne sich zu wehren - und bliebe trotzdem stehen.

Ludwig auf Distanz zu Verliererin Rendi-Wagner

Es mag Kalkül dahinter gesteckt haben, um so für den anderen großen Kampf gerüstet zu sein:
die Wien-Wahl nächstes Jahr, in die Bürgermeister Michael Ludwig möglichst "unverbraucht" und ohne Stigma der Niederlage starten soll.

Die Distanz zu Wahlkampf und Bund hat sich schon jetzt, nach der herben SPÖ-Niederlage bei der Nationalratswahl, bezahlt gemacht. Am Sonntagabend gehörte Ludwig nicht zu jenen, die mit Pamela Rendi-Wagner verloren haben - so wie Thomas Drozda etwa. Im Gegenteil. Wer wollte, konnte an diesem Abend in Ludwig (der gar nicht erst öffentlich auftrat - wohl um nur ja keine Nähe zur Verliererin zu zeigen) eine SPÖ-Alternative erkennen. Denn unter der Oberfläche der trauten Einigkeit hatte stets ein bisschen Abgrenzung zwischen Bundes-SPÖ und SPÖ Wien durchgeschienen.

Es dürfte so sein, dass jene 28 Prozent, die in Wien die SPÖ gewählt haben, jene Basis sind, auf die das Rote Wien ohne viel Zutun setzen kann. Da sind nach dem Stand der Dinge in einem intensiv geführten Wahlkampf durchaus noch ein paar Prozentpunkte mehr drinnen. So würde die SPÖ 2020 erneut die Nummer eins in Wien. Da inzwischen neben den Blauen und den Grünen auch noch die Türkisen stark genug für eine Koalition sind, könnte die SPÖ dann aus dem Vollen schöpfen: So wie jetzt Sebastian Kurz auf Bundesebene könnte Ludwig die Rolle des Koalitionspartners an den Bestbieter vergeben.