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Wer dopt und erwischt wird, muss nicht immer sitzen

Von Christoph Rella

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Wahrscheinlich ist: Mark S., also jener Sportarzt aus Erfurt, der an dutzenden Leistungssportlern Blutdoping vollzogen haben soll, wird in absehbarer Zeit gesiebte Luft atmen. Bis zu 15 Jahre sind laut deutschem Recht "drinnen", weil, wie die Staatsanwaltschaft am Landgericht II in München betont, ein "gewerbsmäßiges und teils bandenmäßiges" Vorgehen vorliege. Mit Mark S. sind auch drei weitere Personen angeklagt, insgesamt wurde und wird gegen 50 Personen ermittelt. Allein die Anklageschrift misst 145 Seiten. Besonders schwer wiegt hier etwa der Vorwurf, dass der Sportarzt nicht nur bis zu 30.000 Euro pro Saison und Sportler kassiert - insgesamt ist von Einnahmen in der Höhe von einer Viertelmillion Euro die Rede -, sondern auch einer Athletin ein neuartiges, nicht zugelassenes Präparat in Form von trockenen Plättchen verabreicht haben soll, das weder Aufschrift noch Beipackzettel enthalten habe.

So umfangreich auch die Anklage, die fast ausschließlich auf den Ergebnissen der im Februar 2019 erfolgten "Operation Aderlass" gründet, sich darstellt, so hat das ganze Verfahren auch gewisse Schattenseiten. Wie zum Beispiel die Tatsache, dass nicht alle bei der Razzia erhobenen Täter vor Gericht belangt werden können, weil sie aus Ländern kommen, wo Blutdoping zum Tatzeitpunkt noch nicht strafbar war oder bis heute noch immer nicht strafbar ist. Wie kann es eigentlich sein, dass sich Sportler aus Österreich (acht), Estland (drei), Slowenien, Italien, Kroatien (jeweils zwei), Kasachstan und der Schweiz (je einer) verantworten müssen, andere aber nicht - also Schweden, Finnen, Norweger oder Deutsche?

Dass das abgestellt gehört, ist ein Gebot der Stunde. Ebenso müsste eine EU-weit gültige, gesetzliche Kronzeugenregelung her, mit der die "Mauer des Schweigens" in Sachen Doping durchbrochen wird. Es ist dies ein Rezept, das sich anderswo bereits bewährt hat, warum also auch nicht hier?