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Klimapolitik in der budgetären Doppelmühle

Von Stefan Schleicher

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Stefan Schleicher ist Professor am Wegener Center für Klima und globalen Wandel an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Die Infrastruktur für Mobilität wird völlig neu zu überdenken sein.


Klimaneutralität bis 2040 und weitere steuerliche Entlastungen sind für die internationalen Medien die sichtbarsten Markierungen im Programm der neuen Bundesregierung. Gegensätzlicher könnten diese je einem der beiden ungleichen Regierungspartner zugeschriebenen Leuchttürme des Regierungsprogramms kaum sein. Es stellt sich somit die Frage, ob den beiden Koalitionspartnern dies auch aus ausreichend bewusst ist.

Unter Klimaneutralität verbirgt sich ein aus vielen Gründen anzustrebender fundamentaler Umbau der österreichischen Infrastruktur. Der Mobilitätsbedarf der Haushalte soll nicht mehr auf Zapfsäulen für Benzin und Diesel angewiesen sein. Die Wohnungen bleiben angenehm temperiert, ohne an über tausende von Kilometern langen Pipelines zu hängen. Voraussetzung für eine solche durchaus vorstellbare Transformation ist aber eine Veränderung der gesamten Infrastruktur für Wohnen und den Zugang zu Personen, Gütern und Orten, wofür wir in Zukunft immer weniger Verkehrsbewegungen brauchen könnten.

Insgesamt ist das gleichsam ein zweites Wiederaufbauprogramm für Österreich, vergleichbar mit dem ersten nach dem Zweiten Weltkrieg. Kaum ein Gebäudekomplex - von der Wiener Mariahilfer Straße bis zum Einfamilienhaus im Waldviertel - ist heute schon fit für Klimaneutralität. Die Infrastruktur für Mobilität wird völlig neu zu überdenken sein und vor allem davon abhängen, wie sich Arbeit, Wohnen und sonstige Aktivitäten - vom Einkaufen bis zum Golfspielen - in der geografischen Dimension entwickeln. Beispiele in der Schweiz zeigen schon jetzt, dass dies in Zukunft durchaus wieder ohne den Besitz eines eigenen Autos oder sogar gänzlich ohne Autoverkehr möglich sein kann.

Dann verbleiben aber noch die energie- und emissionsintensiven Branchen wie Stahl, Zement und Grundstoffchemie, die für rund ein Drittel der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Die Herausforderungen dieser Bereiche sind nicht nur die Reduktion ihrer Emissionen, sondern auch die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit angesichts der sich abzeichnenden radikalen technologischen Umbrüche, die von künstlicher Intelligenz bis zu mit 3D-Drucken symbolisierten Produktionsprozessen reichen. Unter der Chiffre "Green Deal für Österreich" befindet sich dazu im Regierungsprogramm eine durchaus überraschende Ankündigung, die aber bisher in der medialen Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wurde. Ein solcher Deal könnte eine Schlüsselstrategie für den Umbau der österreichischen Infrastruktur werden, nicht nur aus Gründen der Klimaneutralität.

Spätestens hier wird die versteckte Doppelmühle offenkundig, die der Klimapolitik in der neuen Regierung zusetzen könnte. Die ohne ausreichende Gegenfinanzierung angekündigten Steuerentlastungen, die eine Lücke von bis zu 6 Milliarden Euro im Budget verursachen könnten, erscheinen verbindlicher zu sein als die für die Klimapolitik vorgesehenen Aktivitäten. Wird aber sichtbar, dass auch das Ziel Klimaneutralität ein ähnliches Volumen an zusätzlichen öffentlichen Ausgaben erfordert, könnte das wohl das vorzeitige Ende dieser nicht nur für das Klima anzustrebenden politischen Ambitionen sein.