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"Voll": Der Sieg der Länder über Wien

Von Christoph Irrgeher

Kommentare
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Christoph Irrgeher.

Vermutlich hätte man diesen Kommentar schon vor einem halben Jahr schreiben müssen. Aber je mehr Kerzen im eigenen Geburtstagskuchen stecken, desto weniger geht einem ein Licht über gewisse Jugendtrends auf. Über Moden wie, und nun sind wir beim Punkt, die Verwendung des Wörtchens "voll". Letzteres bedeutet im Slang neuerdings keineswegs "ganz", "gefüllt" oder "betrunken". Um es an einem Schwank zu illustrieren: Ruft die Kollegin X die Jungkünstlerin Y an, fragt sie am Beginn: "Sind Sie die Frau Y?" Worauf die antwortet: "Voll!"

Das befremdet natürlich. Warum "voll"? Und ginge es dann auch "halb"? Oder würde dies auf eine multiple Persönlichkeitsstörung verweisen? Doch wie gesagt: Dieses "voll" bedeutet nicht "ganz". Es ist einfach nur ein Synonym für "Ja". Und es sagt nichts aus über den Grad der Zustimmung. Ist heute Mittwoch? - Voll!

Nun ist es mit Modewörtern wie mit Zumbakursen und Männerhandtaschen; sie sind Ausfluss eines launischen Zeitgeists. Der Aufstieg von "voll" ist dennoch frappant, denn er markiert einen Sieg der Bundesländer über die Hauptstadt. "Voi" und "Vui": Das war bisher der Pfeffer im ländlichen Gesprächsalltag, während der Wiener seinem "ur" die Treue hielt. Nun hat das Wort die Stadt anderweitig gestürmt. Aber wieso auch nicht. Ein wenig Sprachaustausch belebt. Und solang er nicht darauf hinausläuft, dass zwischen Hamburg und Klagenfurt alle denselben RTL-Slang nuscheln, ist alles in Ordnung. Voll.