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Bachs Musik ist blanker Rassismus

Von Edwin Baumgartner

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"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Sperrt die Opernhäuser zu und die Konzertsäle und die Theater obendrein und auch alle Ausstellungshäuser! Die Bücher einstampfen! Denn die gesamte westliche Kultur ist der blanke Rassismus. Um zu diesem Schluss zu kommen, braucht man nur die Thesen des US-Musiktheoretikers und Musikers Philip Ewell konsequent weiterzudenken. Ewell ist kein Spinner. Der Stanford-Absolvent unterrichtet am Hunter College für Musik, ist Musiktheorie-Experte und Cellist, anerkannt für beides.

Ewells These stark vereinfacht: Da die gesamte westliche Musiktheorie von Weißen auf der Basis der Werke Weißer, speziell auf der Basis der Musik Johann Sebastian Bachs, entwickelt wurde, ist sie rassistisch. Selbst als "schwarz" verstandene Musik, etwa der Jazz, wird mit den Mitteln der weißen Musiktheorie analysiert.

Damit hat Ewell zwar in der Beschreibung recht, aber er ignoriert die Eigenschaft einer kulturellen Entwicklung, also die Weitergabe von Handwerk und Wissen von Generation zu Generation. Die europäische Musik und Musiktheorie sind nicht rassistisch, sondern seit mehr als zwei Jahrtausenden in einem bestimmten Kulturkreis gewachsen. Die Ethnizität hat dabei keine Rolle gespielt.

Akzeptierte man Ewells Thesen, wäre nicht nur die gesamte europäische Literatur seit Aischylos rassistisch, sondern auch die Wissenschaft wäre es. Selbst die Schwerkraft wäre, da zuerst von dem weißen Engländer Isaac Newton beschrieben, ein rassistisches Naturgesetz.