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Die Schattenseiten des (chinesischen) EM-Sponsorings

Von Christoph Rella

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"Rotes Sponsoring" hat nicht Werbung, sondern Schweigen der Partner zum Ziel.


Seit Cristiano Ronaldo bei einem EM-Pressetermin eine Coca-Cola-Flasche beiseitegeschoben und damit angeblich einen Absturz der Aktie des US-amerikanischen Getränkeherstellers ausgelöst hat, stehen die Großsponsoren dieser Europameisterschaft plötzlich wieder im Fokus des Interesses. Und das ist auch gut so, gilt doch auch hier der oft abgewandelte Grundsatz: "Sag mir, wer Deine Sponsoren sind, und ich sag Dir, wie abhängig Du bist."

Tatsächlich ist hier Coca Cola, auch wenn das Zuckerwasser, zu oft genossen, bedenklich für die eigene Gesundheit ist, noch eine der harmloseren Marken, die es als offizielle Sponsoren der Uefa auf die Werbebanner der Stadien und die Leinwände (und Tische) in den EM-Pressezentren und -Fanzonen geschafft haben. Zu dieser Kategorie zählen auch - ganz passend zum Fußball -der Bierhersteller Heineken sowie der Essenszusteller Lieferando (beide Niederlande) und - weniger passend - der Logistiker Fed-Ex aus den USA. Aber damit war’s das auch schon.

Weniger glänzt, auch wenn er durch die Produktion von E-Autos eine Imagepolitur versucht, der wegen Abgasmanipulationen stark in Verruf geratene Volkswagen-Konzern. Ähnlich ist auch die russische Gazprom, zumindest, wenn es um Umwelt und Klimaschutz geht, nicht gerade ein Kind von Traurigkeit. Wenn man den beiden Konzernen im Unterschied zu anderen etwas zugutehalten kann, so dies, dass sie Arbeitsplätze schaffen und halten, was man wiederum von Plattformen wie Großsponsor Booking.com, der kaum Jobs schafft und wenig Steuern zahlt, nicht gerade behaupten kann.

Was die Fluglinie Qatar Airways betrifft, so muss auch sie sich den Vorwurf gefallen lassen, gerade jenes Regime zu repräsentieren, das sich die Gastgeberschaft für die WM 2022 mutmaßlich durch korrupte Handlungen erkaufte und auch in Menschenrechtsfragen - etwa mit Blick auf die Lage auf den WM- Baustellen - nicht gerade vorbildlich agiert hat.

Aber das ist wohl noch nichts im Vergleich zu dem, was sich die Volksrepublik China, die bei dieser EM mit Sponsoren wie TikTok, Hisense, Alipay oder Vivo so stark wie kein anderes Land vertreten ist, leistet. Die Menschenrechtsverletzungen sind Legion, nicht nur bloß in Xinjiang (Stichwort: Uiguren) und Hongkong, sondern natürlich auch im Reich der Mitte selbst, wo man gerade drum und dran ist, das ganze Land in einen einzigen Überwachungsstaat, wo es keine Freiheit und keine Privatsphäre mehr gibt, zu verwandeln.

Wer glaubt, dass die Millionen, die Peking an die Uefa überweist, lediglich zur Zwangsbeglückung von fußballbegeisterten Chinesen (und vielleicht auch Europäern) investiert wurden und werden, der irrt. In Wirklichkeit ist das System des "roten Sponsorings", wie es schon in vielen Ländern der Erde unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe praktiziert wird, nichts anderes als der Versuch Pekings, seine "Partner" in Abhängigkeit zu führen und zu belassen, um im Gegenzug eines zu ernten: Schweigen.

Tatsächlich scheint das Konzept, wie die Vergangenheit gezeigt hat, gerade im Fußball, wo man in politischen Fragen kaum Stellung bezieht, leider gut aufzugehen. Viele, die gegen solche Macht immun sind, gibt es nicht mehr. Ein Ronaldo müsste man sein.