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Von unnatürlichen Hand- und Fußbewegungen

Von Christian Mayr

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Folgenschwere Fehlpfiffe blieben bisher aus, Stoff zum Diskutieren gibt es genügend.


WZ  Christian Mayr
WZ  Christian Mayr
© Wiener Zeitung

Man soll nie den Tag vor dem Abend loben - und nie die Schiedsrichterleistungen, bevor nicht das letzte Gruppenspiel abgepfiffen ist. Denn während sich seine Kollegen in den Spielen zuvor keine ganz groben Schnitzer leisteten, unterliefen Antonio Miguel Mateu Lahoz beim Gruppe-F-Hit zwischen Portugal und Frankreich (2:2) gleich deren zwei: Der Elfmeterpfiff für Kylian Mbappe war gelinde gesagt ein Witz, während der Tritt in die Wade von Kingsley Coman in der Nachspielzeit zur Überraschung aller folgenlos blieb. Vielleicht hat auch der Videoschiri am Ende nur ausgleichende Gerechtigkeit walten lassen, nachdem ihm der erste Elfer-Lapsus irgendwann im Match bewusst geworden war. Gut, das geht an sich ja nicht - zumindest hätte es keine Auswirkungen auf das Achtelfinale gehabt, ob die Partie nun Remis oder 2:3 ausgegangen wäre.

Im Grunde genommen waren die Leistungen der Unparteiischen auf dem Platz und jenen vor den Videoschirmen (kurz: VAR) in Ordnung. Die großen Böcke, die bei Turnieren schon Mannschaften ins Verderben und Fans in die Verzweiflung gestürzt haben, gab es (auch dank des Videobeweises) nicht mehr. Stoff für Diskussionen aber allemal noch immer. Würde etwa Andreas Ulmer ein gelernter Stürmer sein und zum Beispiel Kylian Mbappe heißen, hätte Österreich gegen Holland einen Elfer bekommen müssen. Den gab es dann jedoch (zu Recht) für Oranje - nach einem Zehensteiger von David Alaba. Warum dann im Match zwischen England und Schottland ein solcher Tritt im Strafraum für die Schotten folgenlos blieb, weiß indes wohl nur der Fußballgott. Vielleicht hätte der VAR beim Luftkampf zwischen dem Tschechen Patrik Schick und dem Kroaten Dejan Lovren normal beide Augen zugedrückt - die blutende Nase des Tschechen dürfte aber zu beeindruckend gewesen sein - also: Penaltypfiff. War die Armbewegung des Kroaten in Form des ausgefahrenen Ellbogens beim Abspringen wirklich so unnatürlich? Jedenfalls nicht so unnatürlich wie der kleine Schubser mit der Hand von Stürmerstar Robert Lewandowski, der den umstrittenen Ausgleich gegen Spanien ermöglichte.

Apropos Hand: Nachdem mit Einführung des VAR plötzlich jede Handberührung (auch die unabsichtliche) zum Elferpfiff führte, ist man dank Nachschärfung der Regel nun wieder fast dort, wo die Regelhüter ursprünglich hinwollten. "Und ist es nicht Absicht, so unterlass doch den Pfiff!", hieß es ja einst. Und doch bleibt das Thema Quell heißer Fan-Diskussionen. Stichwort "unnatürliche Handbewegung": Wenn die Uefa Kopfverletzungen wirklich ernsthaft verhindern will, wie kann es dann sein, dass Elfmeter gepfiffen wird, wenn ein Mazedonier im Spiel gegen die Ukraine instinktiv die Hand vor sein wichtigstes Körperteil (=das Gehirn) bringt? Und dann gab es noch mehrere Fälle, wo Verteidiger den Ball an die Hand bekamen, nachdem sie sich seitlich weggedreht und daher nicht verbreitert, sondern verschmälert hatten - die Bewegung der Hand zum Ball erfolgte jedoch ganz klar absichtlich. In allen Fällen gab es keinen Pfiff.

Nachdem das nicht wirklich logisch ist, hilft nur jene Weisheit, die Nachwuchstrainer schon ihren Kindern beibringen: Der Schiedsrichter hat immer recht. Und der Videoschiedsrichter erst recht.