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Urbanität als Klimarettung

Von Thomas Seifert

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Der Konflikt zwischen Stadt und Land als Mutter aller Steuerschlachten.


Die Verteilung von Lasten und Entlastungen ist die Mutter aller wirtschaftspolitischen Schlachten: Bei jeder Steuerreform tobt dieser Streit. Eine Konfliktlinie sticht bei dieser besonders ins Auge: jene zwischen Stadt und Land. Die ÖVP hat alles unternommen, um der Bevölkerung auf dem flachen Land (das in Österreich größtenteils alles andere als flach ist) nicht allzu viel zuzumuten. Denn die ÖVP-Wählerinnen und -Wähler leben auf dem Land und nicht in der Stadt.

Kanzler Sebastian Kurz sprach von der Unmöglichkeit, auf dem Land ohne Auto zu leben, und ÖVP-Klubobmann August Wöginger verteidigte das auch nach der Steuerreform weiter fortbestehende Dieselprivileg damit, dass E-Traktoren eben noch nicht verfügbar seien (was übrigens nicht stimmt).

Wiener bekommen 100 Euro Klimabonus, alle anderen bekommen mehr. Argumentiert wird das damit, dass in Wien der Verzicht aufs Auto aufgrund der vielen zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittel leichter sei. Tatsächlich ist es in einer Stadt mit einem exzellenten öffentlichen Verkehrsnetz leichter, das Klima zu schützen, als auf dem Land. Aber was hindert die Bundesländer an der Förderung regionaler öffentlicher Verkehrsnetze? Auch die Heizung eines mehrstöckigen Mehrfamilienhauses ist deutlich effizienter als die eines Einfamilienhauses im Grünen. Warum nehmen Bauvorschriften und Raumplanung darauf keine Rücksicht?

Wäre es also nicht klüger, in den Ausbau kluger Verkehrssysteme zu investieren, statt das Klimabonus-Füllhorn über den Familien in der Provinz auszuschütten? Wäre es nicht weitsichtiger, der Staat würde die ohnehin stattfindende Urbanisierung energischer vorantreiben, anstatt Pendlerpauschalen auszuschütten? Denn: Österreich liegt mit nur 58,75 Prozent Stadtbevölkerung - was den Urbanisierungsgrad betrifft - weit abgeschlagen an fünftletzter Stelle in der Europäischen Union (hinter Polen, doch vor Kroatien, Slowenien, Rumänien und der Slowakei). Für eine der reichsten Volkswirtschaften der EU ist dies ein Anachronismus. Die Landflucht aus den Dörfern in die Ballungszentren nimmt auch in Österreich an Fahrt auf. Das ist gut fürs Klima, denn dichtere Siedlungsformen bedeuten auch weniger Boden- und Ressourcenverbrauch. Und Urbanisierung ist die Basis für wirtschaftliche und soziale Dynamik. Es stimmt schon: Dieses Thema ist zu "groß", als dass man es mit einer Steuerreform abhaken könnte. Wie der austro-amerikanische Klimaökonom Gernot Wagner in seinem jüngsten Buch "Stadt, Land, Klima" ausführt, liegt ein Schlüssel zur Rettung des Klimas in einem urbanen Lebensstil. Die Debatte ist eröffnet.