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Die schöne Illusion der Anna Netrebko

Von Christina Böck

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Kann die Kunst sich aus Krieg heraushalten? Anna Netrebko scheint das zu glauben. Die russisch-österreichische Opernsängerin glaubte es schon 2014, als sie russischen Separatisten in Donezk eine Spende von einer Million Rubel (ca. 15.000 Euro) zukommen ließ. Es war Geld, das für ein zerstörtes Theater verwendet werden sollte. Als sie zum Konflikt befragt wurde, bestand sie darauf, unpolitisch zu sein: "Ich habe nichts mit Politik zu tun, ich will nur die Kunst unterstützen." Dann posierte sie mit einer Flagge der Separatisten, als sie den Scheck überreichte. Dass allein das schon ein politischer Akt ist, scheint Netrebko nicht zu verstehen oder verstehen zu wollen.

Seit Eskalation der Krise in der Ukraine haben interessierte Beobachter darauf gewartet, ob und wie sich Netrebko äußern würde. Nach einiger Zeit der "Reflexion" schrie sie auf Instagram: "Ich bin eine Russin und liebe mein Land, aber ich habe viele Freunde in der Ukraine, und der Schmerz und das Leid brechen mir das Herz. Ich möchte, dass dieser Krieg aufhört und die Menschen in Frieden leben können." Aber sie fügte hinzu, dass sie sich dagegen verwehre, "Künstler oder irgendeine öffentliche Person zu zwingen, ihre politischen Ansichten öffentlich zu machen und ihr Vaterland zu beschimpfen. Ich bin Künstlerin und mein Ziel ist es, über politische Unterschiede hinweg zu vereinen." Das ist eine schöne Illusion. Aber im Angesicht des Krieges ist keiner eine unpolitische Person. Und schon gar nicht jene, die früher schon Partei ergriffen haben.