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Documenta gleich abschaffen

Von Christina Böck

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Christina Böck ist "Feuilleton"-Ressortleiterin.
© Wiener Zeitung / Thomas Seifert

Man kann es wohl ohne viel Herumreden so sagen: Die diesjährige Documenta hat einen kapitalen Bock geschossen. Kurzzusammenfassung: Ein Banner mit antisemitischen Motiven – Vampirzähne in Verbindung mit Schläfenlocken – musste diese Woche erst verdeckt, dann abgebaut werden. Das kam nicht ganz überraschend, war die heurige Documenta-Führung unter dem indonesischen Künstlerkollektiv Ruangrupa schon seit Wochen mit Befürchtungen konfrontiert, dass antisemitische Inhalte ausgestellt würden.

Dass es nun tatsächlich passiert ist, ist schon ein beachtlicher Lapsus. Wenn man weiterhin glauben will, dass es einer war. Die Generaldirektorin der Documenta, Sabine Schormann, hat nun in einem Interview eine neue haarsträubende Erklärung präsentiert, warum ausgerechnet diese Arbeit nicht im Vorfeld geprüft wurde: Sie kam beschädigt an und war bis unmittelbar vor Hängung in einer Werkstatt. Und nach der Hängung schaut man sich offenbar Werke einer Ausstellung nicht mehr an.

Schormann sieht die ganze Verantwortung beim Kuratoren-Team, aber trotzdem könnte sie in die Geschichte eingehen, als die Generaldirektorin jener Documenta, die dazu geführt hat, dass der Subventionsgeber Bund sich "mehr einmischen" will in die Kunstausstellung. So stellt sich die deutsche Kulturministerin Claudia Roth das vor. Das ist natürlich eine höchst überzogene und fast gefährliche Drohung. Wenn sich die Politik aussucht, was bei der Documenta zu sehen sein darf, dann kann man die Documenta auch gleich abschaffen.