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Machen wir die Netrebko fertig!

Von Edwin Baumgartner

Kommentare
"Wiener Zeitung"-Klassikexperte Edwin Baumgartner.

Es gibt Gründe, an Anna Netrebko zu zweifeln.

Ihre Intonation.

Ihre Rollengestaltung, sofern man von Gestaltung sprechen kann.

Zum Krieg in der Ukraine allerdings hat sie sich mittlerweile klar ausgesprochen.

Serge Dorny, Intendant der Bayerischen Staatsoper München, hält es freilich immer noch für problematisch, dass Netrebko an Wladimir Putins Propaganda mitgewirkt hätte. Deshalb tauche sie in der nächsten Saison nicht auf in München, aber es könne einen Neuanfang geben, sagt Dorny.

Ist das nicht gnädig? - Man hält Netrebko jetzt erst einmal unter Beobachtung, notiert penibel ihre Äußerungen und überprüft, ob eventuell ein Putin-freundlich zu interpretierender Beistrich darunter sein könnte. Erst, wenn die Moraltribunale des vorwiegend deutschen Feuilletons finden, dass sie ausreichend entrussifiziert ist, erhält sie die Genehmigung, wieder die Opernhäuser zu füllen.

Es scheint, als habe man in stillschweigender Übereinkunft beschlossen, an Netrebko ein Exempel zu statuieren. Die feuilletonistischen Hüter der Moral zeigen, dass sie auch einen Star vom Himmel holen können.

Ohne Ansehen der Künstlerin oder des Künstlers. Ohne Ansehen der politischen Zwänge, denen die Künstlerin oder der Künstler unterliegt. Ohne Ansehen der Folgen für die Künstlerin oder den Künstler in der Heimat.

In Deutschland ist eben gut moralisieren. Nur die Moral geht dabei baden.